Nrn. 2300, 1000 VV RVG
Leitsatz
- Wird der Anwalt beauftragt, Stellungnahmen und Berechnungen zu den Unterhaltsverpflichtungen des Mandanten mit einer eindeutigen Aussage zu erstellen, damit der Mandant diese dann seiner Ehefrau vorlegen kann, liegt bereits ein Geschäftsauftrag nach Vorbem. 2.3 Abs. 3 VV vor, der zum Ansatz einer Geschäftsgebühr führt.
- Darüber hinaus erhält der Anwalt auch eine Einigungsgebühr, wenn er dem Mandanten anlässlich einer Scheidungsfolgenvereinbarung Änderungsanregungen unterbreitet, die dieser dann übernimmt und notariell beurkunden lässt.
LG Gießen, Urt. v. 31.3.2022 – 5 O 483/21
I. Sachverhalt
Nach einer Erstberatung beauftragte der Kläger in der Folgezeit die Beklagte u.a. mit der Berechnung des Unterhalts für seine Ehefrau und die gemeinsamen Kinder. In diesem Zuge kam es zu wiederholter E-Mailkorrespondenz zwischen den Parteien. In einer E-Mail des Klägers heißt es unter anderem: "Ich möchte meiner Ehefrau Ihr Schreiben vorlegen und möchte daher eine eindeutige Formulierung zu meiner Unterhaltszahlung". Im weiteren Verlauf des Scheidungsverfahrens strebten der Kläger und seine damalige Ehefrau ein Mediationsverfahren an. Sie beabsichtigten in diesem Zusammenhang, eine entsprechende notarielle Scheidungsfolgenvereinbarung zu treffen. Den Entwurf dieser Vereinbarung übersandte der Kläger der Beklagten und bat diesbezüglich um Prüfung. Nach rechtlicher Begutachtung durch die Beklagte fand sodann ein Erörterungsgespräch zwischen den Parteien statt. Die Änderungsanregungen der Beklagten ließ der Kläger übernehmen. Die Scheidungsfolgenvereinbarung wurde anschließend mit den Änderungsvorschlägen der Beklagten notariell beurkundet. Die Beklagte berechnete hiernach eine 1,8-Geschäftsgebühr und eine 1,5-Einigungsgebühr i.H.v. insgesamt 7.928,85 EUR. Der Kläger bezahlte diese Rechnung vollständig. Anschließend vertrat er die Auffassung, dass die abgerechnete Geschäfts- und Einigungsgebühr nicht angefallen sei, da die Beklagte lediglich beratend tätig gewesen sei und verlangte Rückzahlung der 7.928,85 EUR. Das LG hat die Klage abgewiesen.
II. Geschäftsgebühr ist angefallen
Ein Rückzahlungsanspruch kommt nicht in Betracht, da die Beklagte die erhaltenen Zahlungen nicht ohne Rechtsgrund erlangt hat. Die Beklagte hat Tätigkeiten ausgeführt, die sowohl zur Berechnung der Geschäftsgebühr als auch der Einigungsgebühr berechtigen.
Die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV entsteht mit der ersten Tätigkeit des Rechtsanwalts nach Erhalt des Auftrages, also in aller Regel mit der Entgegennahme der Information. Nach dem BGH kommt eine Vertretung allerdings begrifflich nur gegenüber Dritten in Betracht. Deshalb setzt das Betreiben eines Geschäfts einen Auftrag des Mandanten voraus, der auf eine Tätigkeit des Rechtsanwalts nach außen gerichtet ist. Fehlt es daran und soll der Rechtsanwalt ausschließlich nach innen gegenüber dem Mandanten tätig werden, liegt lediglich eine Beratung i.S.d. § 34 RVG vor.
Bereits aus dem Vortrag des Klägers ergibt sich die nach außen gerichtete Tätigkeit der Beklagten. Bspw. sind die von der Beklagten erarbeiteten rechtlichen Ausführungen Grundlage der Gespräche zwischen dem Kläger und seiner damaligen Ehefrau gewesen. Der Kläger hat der Beklagten sogar ausdrücklich mitgeteilt, dass er die Stellungnahme der Beklagten zu den Unterhaltsverpflichtungen des Klägers seiner Ehefrau vorlegen wolle und daher eine eindeutige Aussage benötige. Das reicht für die Außenwirkung.
III. 1,8-Gebühr ist angemessen
Auch die Höhe der Geschäftsgebühr von 1,8 ist letztlich nicht zu beanstanden. Die Tätigkeit der Beklagten hat Bereiche zum Kindesunterhalt, Trennungsunterhalt, nachehelichen Unterhalt, Zugewinnausgleich und zur Auseinandersetzung des gemeinsamen Vermögens umfasst, und damit grds. Gegenstände von erhöhter Schwierigkeit und erhöhtem Umfang sowie von erheblicher Bedeutung für die Beteiligten. Die Kammer geht davon aus, dass jedenfalls eine Gebühr von 1,5 als angemessen angesehen werden könne. Unter Berücksichtigung einer Toleranzgrenze von 20% sei der von der Beklagten ermittelte Gebührensatz i.H.v. 1,8 im Ergebnis nicht zu beanstanden.
IV. Einigungsgebühr ist entstanden
Auch die Einigungsgebühr ist verdient. Insbesondere im Rahmen der persönlichen Anhörung hat der Kläger ausgeführt, dass er die Änderungsanregungen der Beklagten in die Scheidungsfolgenvereinbarung habe einarbeiten lassen. Mit ihrer Prüfung und ihren Hinweisen hatte die Beklagte auch die Verantwortung für die Einigung bzw. deren Inhalt übernommen. Die Beklagte sollte zu einer den Interessen des Klägers bestmöglich entsprechenden Scheidungsfolgenvereinbarung beitragen. Dieser Aufgabe ist die Beklagte durch ihre Änderungsanregungen nachgekommen, die – auch nach den Angaben des Klägers – in der notariell beurkundeten Scheidungsfolgenvereinbarung Niederschlag gefunden hat. Dies reicht aus, um die Einigungsgebühr zu verdienen.
V. Bedeutung für die Praxis
Die Entscheidung ist im Ergebnis zutreffend, allerdings nicht in ihrer Begründung.
1. Entwerfen von Schriftstücken ist Beratung
Das Entwerfen von Schriftstücken und Berechnungen ist keine Geschäftstätigkeit, selbst wenn diese Schriftst...