Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstreckung der Beiordnung eines Rechtsanwalts in einer Ehesache auf den Abschluss eines Vergleichs
Leitsatz (amtlich)
Wird in einer Ehesache eine außerprozessual vorbereitete Vereinbarung über eine nicht anhängige Folgesache protokolliert, ist dem im Wege der Prozesskostenhilfe für die Ehesache beigeordneten Rechtsanwalt nach § 48 Abs. 3 RVG neben der Einigungsgebühr gem. Nr. 1000 RVG-VV auch die Verfahrensdifferenzgebühr gem. Nr. 3101 UnterNr. 3 RVG-VV aus der Staatskasse zu erstatten.
Normenkette
RVG § 48 Abs. 3; RVG-VV Nrn. 1000, 3101
Verfahrensgang
AG Diez (Beschluss vom 03.09.2008; Aktenzeichen 6 F 217/07.PKH II) |
Tenor
Die Beschwerde der Staatskasse gegen den Beschluss des AG - FamG - Diez vom 3.9.2008 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Im Scheidungstermin haben die Parteien eine zuvor außergerichtlich vorbereitete Scheidungsfolgenvereinbarung über Kindes- und Ehegattenunterhalt protokollieren lassen, ohne dass diese Gegenstände als Folgesachen anhängig waren. Für diese Tätigkeit hat die im Wege der Prozesskostenhilfe für das Scheidungsverfahren beigeordnete Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners eine 1,5 Einigungsgebühr gem. Nr. 1000 RVG-VV und eine Verfahrensdifferenzgebühr nach Nr. 3101 Un-ternr. 2 RVG-VV geltend gemacht. Nachdem der Rechtspfleger insoweit lediglich die Einigungsgebühr festgesetzt hatte, hat auf die Erinnerung der Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners hin der Abteilungsrichter des FamG mit Beschluss vom 3.9.2008 auch die Verfahrensdifferenzgebühr i.H.v. 188,50 EUR nebst Umsatzsteuer gegen die Staatskasse festgesetzt. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Staatskasse mit der Begründung, gem. § 48 Abs. 3 RVG erstrecke sich die Beiordnung nur auf den Abschluss eines Vergleichs.
II. Die Beschwerde der Staatskasse ist gem. §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 bis 8 RVG zulässig, insbesondere ist unter Berücksichtigung der Umsatzsteuer der gem. § 33 Abs. 3 S. 1 RVG erforderliche Beschwerdewert überschritten und die Beschwerde innerhalb der Frist des § 33 Abs. 3 S. 3 RVG eingelegt. In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Die Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners hat für die Mitwirkung beim Abschluss der Scheidungsfolgenvereinbarung Anspruch auf Zahlung der Verfahrensdifferenzgebühr gem. Nr. 3101 Unternr. 2 RVG-VV i.H.v. 188,50 EUR.
Maßgebend für die aus der Landeskasse nach §§ 45 ff. RVG zu zahlende Vergütung ist allein, in welchem Umfang die Beiordnung erfolgt ist. Hier wurde die Prozessbevollmächtigte dem Antragsgegner für das Scheidungsverfahren beigeordnet. Gemäß § 48 Abs. 3 RVG erstreckt sich diese Beiordnung kraft Gesetzes auf den Abschluss eines Vertrags im Sinne der Nr. 1000 des Vergütungsverzeichnisses, der u.a. den gegenseitigen Unterhalt der Ehegatten und den Unterhalt ggü. den Kindern im Verhältnis der Ehegatten zueinander betrifft, wie er hier protokolliert wurde. Diese Regelung soll einen Anreiz für eine Scheidungsfolgenvereinbarung im Vorfeld eines gerichtlichen Verfahrens schaffen, weshalb die entsprechende Folgesache auch nicht anhängig gemacht werden muss und es insoweit keines Antrages auf Gewährung von Prozesskostenhilfe bedarf (Schneider/Schnapp, RVG, 3. Aufl., § 48 Rz. 43).
Welche Vergütung dem für den Abschluss eines solchen Vergleichs über einen nicht anhängigen Verfahrensgegenstand beigeordneten Anwalt aus der Staatskasse zu gewähren ist, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet. Während das vom Beschwerdeführer zitierte OLG Bamberg (OLGR 2008, 662) nur die Einigungsgebühr als erstattungsfähig ansieht, gewähren das OLG Köln (FamRZ 2008, 707), das OLG Saarbrücken (Beschl. v. 4.4.2008 - 6 WF 19/08, zitiert nach juris) und der 14. Zivilsenat - Kostensenat - des OLG Koblenz (FamRZ 2006, 1691) auch eine Terminsgebühr, letzterer ausdrücklich neben der Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 Unternr. 2 RVG-VV; in der Literatur sprechen sich Zöller/Philippi (ZPO, 26. Aufl., § 118 Rz. 25b) und Gerold/Schmidt/Müller-Rabe (RVG, 18. Aufl., § 48 Rz. 115 i.V.m. Rz. 116) ebenfalls für die Gewährung der Verfahrensgebühr aus. Der erkennende Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an.
Das OLG Bamberg (a.a.O.) stützt sich im Wesentlichen auf die Entscheidung des BGH vom 8.6.2004 (FamRZ 2004, 1708), wonach bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Abschluss eines Vergleichs im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren weder eine Verfahrensgebühr, noch eine Erörterungsgebühr (heute: Terminsgebühr) zu erstatten ist (so auch der erkennende OLG Koblenz FamRZ 2006, 1693). Diese Entscheidung ist aber hier nicht einschlägig. Sie beruht auf der Besonderheit, dass die ZPO eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Prozesskostenhilfeprü-fungsverfahren nicht vorsieht. Hier geht es indes darum, dass in einem rechtshängi-gen Ehescheidungsverfahren von diesem nicht umfasste Gegenstände verglichen werden, für die gerade kein Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren anhängig ist. Mit der automatischen Erstreckung der Prozesskostenhilfe auf Ve...