Leitsatz

Zentrales Problem dieser Entscheidung war die Frage der Erstreckung der Beiordnung eines Rechtsanwalts in einer Ehesache auf den Abschluss eines Vergleichs über zuvor außergerichtlich vorbereitete Scheidungsfolgen.

 

Sachverhalt

Im Ehescheidungstermin hatten die Parteien eine zuvor außergerichtlich vorbereitete Scheidungsfolgenvereinbarung über Kindes- und Ehegattenunterhalt protokollieren lassen, ohne dass diese Gegenstände als Folgesachen anhängig waren. Für diese Tätigkeit hat die im Wege der Prozesskostenhilfe für das Ehescheidungsverfahren beigeordnete Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners eine 1,5 Einigungsgebühr gemäß Nr. 1000 RVG-VV und eine Verfahrensdifferenzgebühr nach Nr. 3101 RVG-VV geltend gemacht. Der Rechtspfleger setzte zunächst lediglich die Einigungsgebühr fest. Auf die Erinnerung der Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners hat der Abteilungsrichter des FamG auch die Verfahrensdifferenzgebühr nebst Umsatzsteuer gegen die Staatskasse festgesetzt. Hiergegen richtete sich die Beschwerde der Staatskasse mit der Begründung, gemäß § 48 Abs. 3 RVG erstrecke sich die Beiordnung nur auf den Abschluss eines Vergleichs.

Die Beschwerde der Staatskasse hatte in der Sache keinen Erfolg.

 

Entscheidung

Das OLG vertrat die Auffassung, die Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners habe für die Mitwirkung beim Abschluss der Scheidungsfolgenvereinbarung Anspruch auf Zahlung der Verfahrensdifferenzgebühr.

Maßgebend für die aus der Landeskasse nach §§ 45 ff. RVG zu zahlende Vergütung sei allein, in welchem Umfang die Beiordnung erfolgt sei. Die Prozessbevollmächtigte sei dem Antragsgegner für das Ehescheidungsverfahren beigeordnet worden. Gemäß § 48 Abs. 3 RVG erstrecke sich diese Beiordnung kraft Gesetzes auf den Abschluss eines Vertrages i.S.d. Nr. 1000 des Vergütungsverzeichnisses, der u.a. den gegenseitigen Unterhalt der Ehegatten und den Unterhalt ggü. den Kindern im Verhältnis der Ehegatten zueinander betreffe, wie er hier protokolliert worden sei. Diese Regelung solle einen Anreiz für eine Scheidungsfolgenvereinbarung im Vorfeld eines gerichtlichen Verfahrens schaffen, weshalb die entsprechende Folgesache auch nicht anhängig gemacht werden müsse und es insoweit keines Antrages auf Gewährung von Prozesskostenhilfe bedürfe.

Unter Hinweis darauf, dass in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt werde, welche Vergütung dem für den Abschluss eines solchen Vergleichs über einen nicht anhängigen Verfahrensgegenstand beigeordneten Anwalt aus der Staatskasse zu gewähren sei, schloss sich das OLG der Auffassung an, wonach auch eine Terminsgebühr und Verfahrensgebühr zu erstatten sei.

Es gehe hier darum, dass in einem rechtshängigen Ehescheidungsverfahren von diesem nicht umfasste Gegenstände verglichen worden seien, für die gerade kein Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren anhängig sei. Mit der automatischen Erstreckung der Prozesskostenhilfe auf Vereinbarungen über Folgesachen in § 48 Abs. 3 RVG solle vermieden werden, dass diese, um dem Prozessbevollmächtigten auch insoweit einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse zu sichern, gesondert anhängig gemacht werden müssten, was mit einer weiteren Arbeitsbelastung der Gerichte verbunden wäre.

Dieses Ziel sei nur durch eine weite Auslegung der Regelung zu erreichen. Durch den Abschluss der Scheidungsfolgenvereinbarung sei nicht nur die Einigungsgebühr, sondern auch die Verfahrensdifferenzgebühr angefallen, die den Kosten des Vergleichs zuzurechnen sei und - wenn sie nicht von der Staatskasse übernommen würde - von der kostenarmen Partei getragen werden müsste.

Wenn über § 48 Abs. 3 RVG nur die Einigungsgebühr aus der Staatskasse zu erstatten wäre, müsste der beigeordnete Anwalt, um nicht unentgeltlich tätig sein zu müssen, bestrebt sein, Folgesachen anhängig zu machen und auch hierfür Prozesskostenhilfe bewilligen zu lassen. Dies wäre mit einer erheblichen Mehrarbeit der Gerichte verbunden, die zunächst die Erfolgsaussicht der jeweiligen Folgesachen überprüfen müssten. Hierdurch liefe die Regelung des § 48 Abs. 3 RVG ins Leere.

 

Link zur Entscheidung

OLG Koblenz, Beschluss vom 15.10.2008, 7 WF 803/08

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