Die Entscheidung ist bedeutend. Ausgehend vom Sachverhalt besteht eine geübte, aber offensichtlich zweifelhafte Praxis. Ausgehend davon, dass bereits einige Anerkennungen offensichtlich "zurückgewiesen" wurden, dürfte auch eine nicht unerhebliche Zahl von Standorten und damit viele praktische Fälle betroffen sein. Nach § 305 Abs. 5 InsO hat der Schuldner mit Verfahrenseröffnung einen Nachweis mittels Formblatt zu führen, wonach ein außergerichtlicher Einigungsversuch innerhalb der letzten 6 Monate vor dem Antrag erfolglos unternommen worden ist. Diese Bescheinigung muss dabei von einer geeigneten Stelle ausgestellt worden sein. Erst vor kurzem hat der BGH (Beschl. v. 24.2.2022 – IX ZB 5/21) nochmals klargestellt, dass dem Gericht keine inhaltliche Prüfung und Ausgestaltung des außergerichtlichen Einigungsversuches zukommt, stattdessen die Prüfungskompetenz in den Händen dieser "geeigneten Stellen" selbst liege. Folgerichtig nehmen diese "geeigneten" Stellen wichtige und relevante Aufgaben dar, zu deren Ausübung es daher auch einer besonderen staatlichen Zulassung bedarf. Das OVG stellt in den Gründen der Entscheidung zur Recht auch auf eine "Prüfungs- und Zulassungskompetenz" der Länder ab, die i.Ü. nicht aus der Ferne, sondern eben gerade nur "vor Ort" kontrolliert werden können. Die Gewährleistung der Eignung entsprechender Einrichtungen muss also "kontrolliert" werden könne. Der außergerichtliche Einigungsversuch stellt nach wie vor eine zwingende Vorschaltstation für den Gang in das Verbraucherinsolvenzverfahren dar. Nur wenn ein Schuldner diesen erfolglos innerhalb der letzten 6 Monate unternommen hat, ist ihm der Weg in das gerichtliche Verfahren eröffnet. Die Norm setzt daher eine außergerichtliche Verhandlung des Schuldners mit den Gläubigern voraus. § 1 Abs. 1 und 2 AG InsO nennt neben den Anwälten nämlich andere geeignete Stellen, welche für den Versuch der außergerichtlichen Einigung nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO infrage kommen. In der Praxis bedeutsam sind dies die Schuldnerberatungsstellen, meist von einer kirchlichen Einrichtung getragen. Schuldnerberatungsstellen sind zur Beratung auf diesem Gebiet auch befugt. Sie bestehen "gleichberechtigt" neben der Anwaltschaft und anderen Institutionen. Letztlich werden die zur Ausstellung einer Bestätigung i.S.v. § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO geeigneten Personen und Stellen aber jeweils von den Ländern bestimmt. Hierzu zählen Rechtsanwälte, Steuerberater und bestimmte anerkannte Schuldnerberatungsstellen, die eine Zulassung für den außergerichtlichen Einigungsversuch vorweisen können. Voraussetzung ist auch, dass die Stelle, die den außergerichtlichen Einigungsversuch begleitet und unternimmt, als geeignet i.S.d. Gesetzes anzusehen ist. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen geht zu Recht davon aus, dass die individuelle Zulassung "Ländersache" sei. Zur Zulassung werden Prätendenten entsprechend kontrolliert und geprüft. Seien "Zweigstellen" daher als eigene Stellen anzusehen, müssten diese selbst über eine entsprechende Zulassung verfügen. Auch wenn sich – ggf. sogar überregional – eine andere Handhabungsweise entwickelt habe, lasse sich darauf kein Rechtsanspruch auf ein "Weiter so" ableiten. Dem OVG ist daher Recht zu geben, dass nur eine Kontrolle und Einschätzung "vor Ort" entsprechende Gewährleistungsgarantie geben kann. Andererseits besteht mit der Entscheidung natürlich auch die Gefahr, dass in Folge einige der ohnehin "rar" gesäten Schuldnerberatungsstellen wegbrechen könnten, was angesichts des nach wir vor drohenden Insolvenztsunami verheerend sein könnte.
Dipl.-RPfl. Stefan Lissner, Konstanz
AGS 8/2023, S. 383 - 384