Nr. 9005 GKG KV; §§ 464a Abs. 1, 465 Abs. 1 S. 1 StPO
Leitsatz
Führt ein externer IT-Forensiker lediglich eine Grobsichtung von Datenträgern nach möglichen kinderpornografischen Inhalten durch, so stellt das keine abrechenbare Sachverständigenleistung nach dem JVEG dar. Die dafür angefallenen Auslagen der Staatskasse gehören nicht zu den vom Verurteilten zu tragenden Kosten des Verfahrens.
LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 17.6.2024 – 12 Qs 19/24
I. Sachverhalt
Der Verurteilte ist vom AG wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften und anderer Delikte zu einer ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt worden. Ihm wurden außerdem die Kosten des Verfahrens auferlegt.
Mit Kostenrechnung v. 24.8.2023 wurde unter Bezugnahme auf Nr. 9005 GKG KV eine Sachverständigenvergütung i.H.v. 17.794,31 EUR zu seinen Lasten festgesetzt. Dem lag die Rechnung einer GmbH vom 13.1.2023 über einen Gesamtbetrag von 17.802,64 EUR zugrunde. In dieser waren in einer Position in Ansatz gebracht für die Grobsichtung verschiedener Asservate 4.030 Arbeitsminuten und außerdem in einer Position 7.080 Arbeitsminuten, was 118 Stunden entspricht, zu einem Stundenpreis von 125,00 EUR in Ansatz gebracht.
Der Verteidiger des Verurteilten wandte gegen die Kostenrechnung ein, dass der sich aus Position 4 der Rechnung ergebende Betrag nicht ansetzbar sei, weil es sich um eine reine Sichtung von Unterlagen handle, für die es keine sachverständige Expertise brauche. Eine Delegation der Sichtung auf den Sachverständigen sei i.Ü. ohnehin nicht möglich, weil der Staatsanwalt die strafrechtliche Relevanz der Bilder eigenständig prüfen müsse.
Das AG hat die Erinnerung des Verurteilten als unbegründet verworfen. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Verurteilten hatte nach Übertragung durch den Einzelrichter (§ 66 Abs. 6 S. 2 GKG) auf die Kammer Erfolg.
II. Kosten des Verfahrens
1. Allgemeines
Zu den Kosten des Verfahrens gehören, so das LG, die Gebühren und Auslagen der Staatskasse, einschließlich derjenigen Kosten, die im Ermittlungsverfahren durch die Vorbereitung der öffentlichen Klage entstanden sind (§ 464a Abs. 1 S. 1, 2 StPO). § 3 Abs. 2 GKG verweise wegen der Kosten auf die in der Anlage 1 aufgeführten Gebühren und Auslagen. Gem. Nr. 9015 GKG KV gehören zu den Auslagen der Staatskasse auch die unter Nrn. 9000 bis 9014 GKG KV bezeichneten Kosten, soweit sie durch die Vorbereitung der öffentlichen Klage entstanden sind. Dies gilt also auch für die gem. Nr. 9005 GKG KV nach dem JVEG zu zahlenden Beträge. Dazu gehören nach Auffassung des LG festgesetzte Sachverständigenkosten i.H.v. 9.993,03 EUR brutto jedoch nicht.
2. Durchsicht von Papieren und Daten durch Ermittlungspersonen
Zu den Kosten des Ermittlungsverfahrens können auch der Aufwand für die Durchsicht der Papiere oder Daten gehören. Gem. § 110 Abs. 1, 3 StPO stehe die Durchsicht der elektronischen Speichermedien der Staatsanwaltschaft und – auf deren Anordnung – ihren Ermittlungspersonen i.S.d. § 152 GVG zu. Soweit sichergestellt sei, dass die Verantwortung für die Durchsicht der Papiere bei der Staatsanwaltschaft verbleibe, könne diese auch Hilfspersonen wie Dolmetscher, Sachverständige oder sonstige dienstleistende Dritte einsetzen (OLG Nürnberg, Beschl. v. 10.4.2018 – 1 Ws 605/17; OLG Schleswig, Beschl. v. 10.1.2017 – 2 Ws 441/16; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., 2024, § 110 Rn 3). Das sei hier der Fall gewesen. Der Sachbearbeiter bei der Kriminalpolizei habe nach Rücksprache mit dem ermittelnden Oberstaatsanwalt die pp. GmbH mit der Auswertung beauftragt.
3. Sachverständige Leistungen?
Allerdings stellen nach Auffassung des LG die abgerechneten Leistungen unter Position 4 der Rechnung i.H.v. 8.397,50 EUR netto (4.030 min / 60 min = 67,17 h x 125,00 EUR netto) bzw. 9.993,03 EUR brutto keine Tätigkeiten eines Sachverständigen dar, sodass in dieser Höhe auch kein Kostenansatz nach Nr. 9005 GKG KV habe erfolgen können.
Aufgabe eines Sachverständigen sei es, aufgrund von Erfahrungssätzen oder besonderen Fachkenntnissen Schlussfolgerungen aus einem feststehenden Sachverhalt zu ziehen und dem Gericht allgemeine Erfahrungssätze oder besondere Kenntnisse auf seinem jeweiligen Wissensgebiet zu vermitteln (OLG Frankfurt, Beschl. v. 26.5.2020 – 2 Ws 89-91/19, RVGreport 2020, 398; OLG Schleswig, Beschl. v. 10.1.2017 – 2 Ws 441/16, StV 2017, 660 = StRR 8/2017, 23; LG Hamburg, Beschl. v. 7.8.2019 – 631 Qs 27/19, RVGreport 2020, 79). Damit werde ein externer IT-Forensiker dann als Sachverständiger tätig, wenn er unter Einsatz geeigneter und nicht für jedermann zur Verfügung stehender Programme und entsprechenden Fachwissens den Zugang zu verschlüsselten oder sonst für die Ermittlungsbehörden nicht zugänglichen Daten ermöglicht und diese Daten aufbereitet und so die ermittlungsrelevanten Tatsachen fest- und zusammenstelle (OLG Nürnberg, Beschl. v. 10.4.2018 – 1 Ws 605/17; Wackernagel/Graßie, NStZ 2021, 12, 16; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., vor § 72 Rn 7a). In Abgrenzung dazu sei genuine Ermittlungsarbeit und keine Sachverständigentätigkeit anzunehmen, wenn der...