§ 11 RVG; § 49b Abs. 1 S. 2 BRAO; § 242 BGB
Leitsatz
- Bei dem Einwand, der Prozessbevollmächtigte habe die Gebührenforderung für den Fall, dass er die Kosten letztlich allein tragen müsse, auf 892,50 EUR begrenzt, handelt es sich um eine nicht dem Gebührenrecht entstandene Einwendung, die auch nicht vollkommen unsubstantiiert ist.
- Die Möglichkeit einer Ermäßigung oder eines Erlasses nach § 49b Abs. 1 S. 2 BRAO für eine gerichtliche Tätigkeit besteht weder von vornherein noch während der anwaltlichen Tätigkeit. § 242 BGB soll es Rechtsanwälten, die eine solche Vereinbarung dennoch treffen, aber verwehren, sich auf die Nichtigkeit der Abrede gegenüber einem Mandanten zu berufen, der auf eine entsprechende Vereinbarung vertraut hat.
LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 12.6.2024 – 26 Ta (Kost) 6027/24
I. Sachverhalt
Die Rechtsanwälte hatten dem Kläger vor dem Arbeitsgericht Berlin als Prozessbevollmächtigte vertreten. Nach Beendigung des Verfahrens haben sie die Festsetzung ihrer Vergütung gem. § 11 RVG gegen den Kläger beantragt. Auf die ihm eingeräumte Stellungnahme hat der Kläger vorgebracht, es sei mit dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt abgestimmt gewesen, direkt mit der Rechtsschutzversicherung abzurechnen. Diese habe jedoch eine Regulierung abgelehnt. Hieraufhin habe der Rechtsanwalt ihm sodann auf seine Nachfrage erklärt, er habe gegenüber der Rechtsschutzversicherung eine Anwaltsvergütung i.H.v. 2.314,55 EUR in Ansatz gebracht. Darauf habe er – der Kläger – seinem Rechtsanwalt mitgeteilt, es sei ihm nicht möglich, diesen Betrag aufzubringen. Er werde sich deshalb selbst vertreten oder das Jobcenter um Unterstützung bitten. Hieraufhin habe ihm der Rechtsanwalt mitgeteilt, der Betrag werde sich auf 892,50 EUR reduzieren, wenn er die Kosten selbst tragen müsse. Unter dieser Voraussetzung habe er – der Kläger – der weiteren Vertretung zugestimmt. Der Rechtsanwalt sei jedoch in der Sache dann nicht weiter tätig gewesen. Er – der Kläger – sei gern bereit, das abgestimmte Honorar zu zahlen, wenn der Rechtsanwalt das Verfahren wie vereinbart weiterführe. Ferner hat der Kläger vorgebracht, sein Prozessbevollmächtigter habe die Herausgabe von Unterlagen von der Zahlung eines Betrages i.H.v. 750,00 EUR abhängig gemacht.
Die den Vergütungsfestsetzungsantrag stellenden Rechtsanwälte haben hierauf entgegnet, es sei nicht ihre Aufgabe gewesen, den Umfang des Rechtsschutzes des Mandanten zu prüfen. Sie seien jedoch dem Kläger entgegengekommen, indem sie vorerst mit einer Zahlung i.H.v. 892,50 EUR einverstanden gewesen seien. Der Umstand, es handele sich nur um eine Teilzahlung, könne einer E-Mail entnommen werden, in der es um das weitere Vorgehen und die weitere Kostenregelung gegangen sei. Obwohl der Kläger die Teilzahlung ausdrücklich zugesagt habe, sei auch diese bisher unterblieben.
Der Rechtspfleger des Arbeitsgerichts hat die Festsetzung der Vergütung abgelehnt. Dies hat der Rechtspfleger damit begründet, der Kläger habe Einwendungen vorgebracht, die ihren Grund nicht im Gebührenrecht haben. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat, hatte beim LAG Berlin-Brandenburg keinen Erfolg.
II. Einwendungen im Vergütungsfestsetzungsverfahren
1. Gesetzliche Grundlagen
Gem. § 11 Abs. 5 S. 1 RVG ist die Festsetzung der Vergütung abzulehnen, soweit der Antragsgegner – das war hier der Kläger – Einwendungen oder Einreden erhebt, die nicht im Gebührenrecht ihren Grund haben. Hierzu hat das LAG Berlin-Brandenburg darauf verwiesen, das Vergütungsfestsetzungsverfahren diene nicht dazu, von dem Auftraggeber erhobene materiell-rechtliche Einwendungen gegen den Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts zu überprüfen. Folglich sei die Festsetzung der Vergütung gem. § 11 Abs. 5 S. 1 RVG abzulehnen, wenn sich die Einwendungen nicht auf die anzuwendenden Gebührenvorschriften, sondern auf Vorschriften des allgemeinen, auch für andere Rechtsbeziehungen maßgeblichen Rechts beziehen würden. Über solche Einwendungen habe das ggf. mit der Durchsetzung des Vergütungsanspruchs befasste Prozessgericht in einem gerichtlichen Erkenntnisverfahren zu entscheiden.
2. Mindestanforderungen an den Einwand
Nach Auffassung des LAG Berlin-Brandenburg müssen jedoch die Einwendungen gewissen Mindestanforderungen genügen. Völlig unsubstantiierte, nicht einzelfallbezogene Einwendungen, wie etwa eine floskelhafte Wiedergabe des Gesetzestextes oder die bloße Bemerkung, es werde die Schlechterfüllung des Anwaltsvertrages geltend gemacht, würden hingegen nicht zur Ablehnung der Vergütungsfestsetzung führen. Deshalb sind nach Auffassung des LAG solche Einwendungen, die auch bei äußerst zurückhaltender summarischer Prüfung unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt Bestand haben können, weil sie erkennbar unrichtig, gänzlich halt- und substanzlos oder offensichtlich aus der Luft gegriffen sind, nicht zu berücksichtigen. Vielmehr muss nach den weiteren Ausführungen des LAG Berlin-Brandenburg der außergebührenrechtliche Einwand zumindest im Ansatz erkennen lassen, dass der Vergütungsanspruch des Antragstellers a...