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"Wenn man vom Rathaus kommt, ist man immer klüger", so lautet ein altes Sprichwort. Gebührenrechtlich kann man es dahin abwandeln: "Wenn das Verfahren beendet ist, hat der Mandant meist kein großes Interesse mehr, die anwaltliche Vergütung zu zahlen". Das gilt zumindest dann, wenn der (zivilrechtliche) Rechtsstreit verloren ist oder der Mandant im Strafverfahren verurteilt wurde. Warum dann noch für die "Schlechtleistung" des Rechtsanwalts Geld ausgeben, fragt sich mancher Mandant. Deshalb muss es das Ziel des Rechtsanwalts sein, seine Gebühren gegenüber dem Auftraggeber rechtzeitig zu sichern. Dazu stellt ihm das RVG in § 9 RVG das Recht auf Vorschuss zur Verfügung. Dieses soll in den nachfolgenden Ausführungen dargestellt werden. Das Recht auf Vorschuss aus der Staatskasse (§ 47 RVG) wird in einem gesonderten Beitrag behandelt.
I. Überblick
Nach § 9 RVG kann der Rechtsanwalt von seinem Mandanten "für die entstandenen und voraussichtlich entstehenden Gebühren und Auslagen einen angemessenen Vorschuss fordern". Von diesem Recht wird in der Praxis – aus welchen Gründen auch immer – immer noch zu wenig Gebrauch gemacht, was zu Einnahmeausfällen beim Rechtsanwalt führt. Dem will die Regelung in § 9 RVG begegnen, die – abweichend von der sonst beim Dienstvertrag (§§ 675, 611 BGB) bestehenden Vorleistungspflicht des auftragnehmenden Rechtsanwalts – zu einer Vorleistungspflicht des Mandanten führt. Der Rechtsanwalt ist allerdings nicht verpflichtet, einen Vorschuss zu verlangen. Ob und in welcher Höhe er einen Vorschuss verlangt, liegt in seinem (billigen) Ermessen. Die Regelung in § 9 RVG entspricht i.Ü. wortgleich dem früheren § 17 BRAGO, sodass die aus der Vergangenheit zu § 17 BRAGO vorliegende Rspr. und Lit. anwendbar sind.
II. Vorschussberechtigter
Das Recht auf Vorschuss hat jeder Rechtsanwalt. Zu den Vorschussberechtigten zählen also nicht nur der Prozessbevollmächtigte, sondern auch der Verkehrsanwalt, der Strafverteidiger, der Gutachter und der mit der Erledigung außergerichtlicher Angelegenheiten beauftragte Rechtsanwalt. Einen Anspruch auf Vorschuss haben auch der Notanwalt des § 78b ZPO, der in Scheidungs- und Lebenspartnerschaftssachen beigeordnete Rechtsanwalt (§ 39 RVG), der als gemeinsamer Vertreter nach § 67a Abs. 1 S. 2 VwGO bestellte Rechtsanwalt (§ 40 RVG).
Ausnahmen bestehen hingegen nach § 52 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 RVG für den gerichtlich bestellten Verteidiger (Pflichtverteidiger) bzw. für den in Strafsachen, z.B. dem Nebenkläger, beigeordneten Rechtsanwalt (vgl. §§ 53 Abs. 1, 52 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 RVG, Vorbem. 4 Abs. 1 VV); Entsprechendes gilt für den dem Antragsteller im Klageerzwingungsverfahren beigeordneten Rechtsanwalt. Sie haben aber gem. § 47 RVG einen Anspruch auf Gewährung eines Vorschusses wegen der bereits entstandenen Gebühren und Auslagen gegen die Staatskasse. Bei Beratungshilfe kann der Rechtsanwalt allerdings gem. § 47 Abs. 2 RVG keinen Vorschuss fordern. Auch der im Rahmen der Prozesskostenhilfe (PKH) beigeordnete Rechtsanwalt kann nur nach § 47 RVG für die entstandenen Gebühren (§ 49 RVG) und die entstandenen und voraussichtlich entstehenden Auslagen aus der Staatskasse angemessen Vorschuss fordern, da nach § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO die Bewilligung der PKH dazu führt, dass der beigeordnete Rechtsanwalt einen Anspruch auf die Vergütung gegen die Partei nicht geltend machen kann. Das schließt auch das Recht auf einen Vorschuss nach § 9 RVG aus.
Vor der Beiordnung erhaltene Vorschüsse muss der Rechtsanwalt allerdings nicht zurückzahlen. Es gelten die §§ 55, 58 RVG.
III. Vorschussverpflichteter
Zur Zahlung des Vorschusses verpflichtet ist zunächst der auftraggebende Mandant oder ggfs. die Staatskasse, wenn der Rechtsanwalt einen Vorschuss fordern kann (vgl. dazu II.). Ggf. ist auch ein unmittelbar haftender Dritter, wie z.B. ein Bürge, vorschusspflichtig. Gegenüber anderen Dritten, die ggf. nur dem Mandanten gegenüber vorschusspflichtig sind (§ 1360a Abs. 4 BGB), hat der Rechtsanwalt keinen Vorschussanspruch.
§ 9 RVG gilt im Verhältnis des Rechtsanwalts gegenüber der Rechtsschutzversicherung des Mandanten nicht unmittelbar. Diese ist nicht Auftraggeber des Rechtsanwalts. Das sich aus § 9 RVG ergebende Vorschussrecht des Rechtsanwalts gegenüber dem Mandanten wirkt sich mittelbar abe...