Dass im vorliegenden Fall eine außergerichtliche Geschäftsgebühr nach 2300 VV sowie je eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV im selbständigen Beweisverfahren und im Hauptsacheverfahren entstanden sind, dass der Gegenstand der beiden Verfahren teilweise identisch ist und auch Parteien und Prozessbevollmächtigte identisch sind, ist unstreitig. Damit sind die Voraussetzungen für eine Anrechnung sowohl nach Abs. 4 als auch Abs. 5 der Vorbem. 3 VV gegeben.
Der BGH hat in der Entscheidung vom 22.1.2008 (VIII ZB 57/07, JurBüro 2008, 33, 102 = NJW 2008, 1323) und in weiteren Folgeentscheidungen festgestellt, dass eine vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr auch im Kostenfestsetzungsverfahren nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV immer anzurechnen ist, unabhängig davon, ob die Geschäftsgebühr auf materiellrechtlicher Grundlage vom Prozessgegner zu erstatten ist, ob sie unstreitig, geltend gemacht, tituliert oder bereits beglichen ist (s. a. Senat Beschl. v. 13.10.2008–11 W 2279/08).
Aus der Anrechnungsvorschrift in Vorbem. 3 Abs. 5 VV ist zu entnehmen, dass nach Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens bei Identität der Personen und des Gegenstands die dort entstandene Verfahrensgebühr auf die der Hauptsache anzurechnen ist (OLG Stuttgart, Beschl. v. 15.7.2008, – 8 W 264/08 und 8 W 265/08; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 18. Aufl. 2008, Anh. III Rn 26; Hartmann, KostG, 38. Aufl. 2008, Nr. 3100 VV Rn 57; je m. w. Nachw.), und zwar entgegen der Ansicht des LG so, dass die zeitlich zuvor entstandene Verfahrensgebühr im selbständigen Beweisverfahren Bestand hat, während die des Hauptsacheverfahrens durch Anrechnung ganz oder teilweise in Wegfall kommt (OLG Stuttgart JurBüro 2008, 526–527 [= AGS 2008, 384]).
Auf dieser Grundlage muss die doppelte Anrechnung von außergerichtlicher Geschäftsgebühr (Nr. 2300 VV) und Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV) des selbständigen Beweisverfahrens in Bezug auf die Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV) des Hauptsacheverfahrens folgendermaßen vorgenommen werden:
Zunächst erfolgt die Anrechnung innerhalb der gerichtlichen Verfahren, wobei die Verfahrensgebühr des Beweisverfahrens auf die des Hauptsacheverfahrens angerechnet wird. Auf die verbleibenden gerichtlichen Verfahrensgebühren kann dann die außergerichtliche 0,65-Geschäftsgebühr angerechnet werden. Zu diesen Verfahrensgebühren rechnet außer der des Beweisverfahrens auch der nach Anrechnung verbleibende Rest der Verfahrensgebühr des Hauptsacheverfahrens, wenn wie im vorliegenden Fall dessen Streitwert höher ist als der des Beweisverfahrens.
Nur dies entspricht der Intention des Gesetzesgebers, dass im Falle der Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens und anschließenden Klageverfahrens bei Identität der Personen und des Gegenstands die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV nur einmal geltend gemacht werden kann. Dem Rechtsanwalt soll kein Anreiz geboten werden, die Beweisaufnahme des von ihm beabsichtigten Klageverfahrens diesem vorzuziehen durch die Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens. Dadurch würde eine Mehrbelastung der Gerichte erreicht, die gerade durch den Wegfall der Beweisgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO vermieden werden sollte, da ein finanzieller Vorteil aus dem Erlass eines Beweisbeschlusses oder der zumindest beginnenden Durchführung einer Beweisaufnahme dem Rechtsanwalt nicht mehr erwächst (OLG Stuttgart JurBüro 2008, 526). Wollte man zunächst die Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr des Beweisverfahrens und von dieser dann nur noch den verbleibenden Rest auf die Verfahrensgebühr des Hauptsacheverfahrens anrechnen, würde dies zu einer gebührenrechtlichen Besserstellung des Rechtsanwalts bei der Vorschaltung eines selbständigen Beweisverfahrens auch dann führen, wenn dieses nicht der Vermeidung eines Rechtsstreits dient. Diese Besserstellung soll durch die Neuregelungen des RVG gerade vermieden werden, auch wenn das selbständige Beweisverfahren und das Hauptsacheverfahren nach neuem Recht zwei verschiedene Angelegenheiten sind, in denen die Gebühren für den Rechtsanwalt nebeneinander entstehen. Dadurch soll der Anreiz gegeben werden, zur Entlastung der Gerichte bereits im Beweisverfahren über eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits zu verhandeln und so den weiteren Prozess über die Hauptsache möglichst zu vermeiden (Müller-Rabe, a.a.O., Anh. III Rn 21 und Rn 1 ff. mit den Gesetzesmotiven). Wenn dies nicht erreicht wird, soll dagegen die Verfahrensgebühr des Hauptsacheverfahrens, soweit es sich mit dem Beweisverfahren deckt, durch Anrechnung wegfallen, und die Geschäftsgebühr zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr des Beweisverfahrens angerechnet werden. Zu keinem anderen Ergebnis käme man, wenn die Beweisaufnahme nicht dem Klageverfahren vorgezogen, sondern in diesem durchgeführt worden wäre. Auch in diesem Fall würde die 1,3-Verfahrensgebühr durch die Anrechnung der 0,65-Geschäftsgebühr in Höhe der Hälfte in Wegfall geraten.
Zwar betreffen diese Überlegungen unmittelbar nur den Rechtsanwalt, der das selbständige ...