Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Frage, ob der Bevollmächtigte des Klägers als im Weg der Prozesskostenhilfe beigeordneter Rechtsanwalt für eine außergerichtliche Vereinbarung mit dem Beklagten zusätzlich zu der bereits gewährten Vergütung auch eine Einigungs- oder Erledigungsgebühr verlangen kann.

Entgegen der Auffassung des VG und des Urkundsbeamten steht dem Bevollmächtigten des Klägers ein Anspruch auf Festsetzung einer Einigungsgebühr nach den Nrn. 1000 und 1003 VV zu.

Nach Anm. Abs. 1 S. 1 zu Nr. 1000 VV entsteht eine Einigungsgebühr für die Mitwirkung des Rechtsanwalts beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht. Das gilt gem. Anm. Abs. 4 zu Nr. 1000 VV auch bei Rechtsverhältnissen des öffentlichen Rechts, soweit über die Ansprüche vertraglich verfügt werden kann.

Im konkreten Fall wurde eine Vereinbarung i.S.d. der Anm. Abs. 1 zu Nr. 1000 VV getroffen, die sich nicht ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht beschränkt. Mit Schreiben hatte die Regierung von Schwaben als Vertreterin des Beklagten "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" zugesichert, dem Kläger den Auszug aus der Gemeinschaftsunterkunft Kempten (Allgäu) zu gestatten, wenn ihm selbst und seiner Ehefrau Wohnraum zur Verfügung steht, dessen Kosten im Rahmen der sozialhilferechtlichen Angemessenheit liegen. Dieses Vertragsangebot hat der Bevollmächtigte des Klägers nach Vorlage eines entsprechenden Mietangebots durch die umgehende Rücknahme der Klage konkludent angenommen. Die Beteiligten des Klageverfahrens konnten auch über den Streitgegenstand (Gestattung des Auszugs aus einer Gemeinschaftsunterkunft) vertraglich verfügen (Anm. Abs. 4 zu Nr. 1000 VV). Zwar stellt die Gestattung des Auszugs als solche einen Verwaltungsakt dar. Dieser Umstand ändert aber nichts daran, dass sich ein Hoheitsträger zur Beseitigung rechtlicher Ungewissheiten grundsätzlich in gewissen Grenzen (vgl. Art. 59 BayVwVfG – Nichtigkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrages) auch vertraglich dazu verpflichten kann, gegen bestimmte Gegenleistungen einen Verwaltungsakt zu erlassen (vgl. Art. 54 BayVwVfG). Eine Ausnahme hiervon ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.

Der Bevollmächtigte des Klägers hat bei dem Abschluss der Vereinbarung auch hinreichend i.S.d. Anm. Abs. 1 S. 1 zu Nr. 1000 VV mitgewirkt. Insoweit sind Zweifel weder substantiiert vorgetragen noch sonst erkennbar.

Entgegen der Auffassung des VG ist die Einigungsgebühr gem. Nrn. 1000 und 1003 VV entstanden, obwohl die vertragliche Vereinbarung zwischen den Parteien, an der der Bevollmächtigte des Klägers als im Weg der Prozesskostenhilfe beigeordneter Rechtsanwalt mitgewirkt hat, hier außergerichtlich erzielt worden ist. Denn die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts für ein Gerichtsverfahren umfasst gem. § 48 Abs. 1 i.V.m. § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 RVG auch außergerichtliche Verhandlungen und damit den Abschluss einer außergerichtlichen Vereinbarung. Eine Beschränkung auf Vergleiche, die vor Gericht protokolliert werden, ist weder § 48 RVG oder einer sonstigen Vorschrift des Abschnitts 8 des RVG, in dem der Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts geregelt ist, zu entnehmen noch ergibt sich eine Einschränkung der Erstattungsfähigkeit aus dem Sinn und Zweck der maßgeblichen Vorschriften (so auch OLG Braunschweig v. 15.8.2006–2 W 102/06 <juris> und BGH v. 13.4.2007 – II ZB 10/06, NJW 2007, 2187 = AGS 2007, 366, für die Festsetzbarkeit einer Einigungsgebühr außerhalb der Prozesskostenhilfe). Die gegenteilige Auffassung des OLG Nürnberg in seinem Beschl. v. 29.8.2005–6 W 916/05, NJW-RR 2006,1367, und des BGH in seiner Entscheidung v. 28.3.2006 – VIII ZB 29/05, NJW 2006, 1523 = AGS 2006, 403, die für die Festsetzung einer Einigungsgebühr aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit einen ausdrücklich protokollierten Vergleich fordern, überzeugt nicht. Der VIII. Zivilsenat des BGH hält im Übrigen nicht mehr an dieser Auffassung fest, wie aus der bereits zitierten Entscheidung des II. Zivilsenats vom 13.4.2007 hervorgeht (Rn 7).

Mitgeteilt von Reg.-Dir. a.D. Heinrich Hellstab, Berlin

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