Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
ZPO §§ 91, 103; RVG § 15a; VV RVG Nrn. 2300, 3100; Vorbem. 3 Abs. 4
Leitsatz
- Trägt der Erstattungsberechtigte die für die Anrechnung erheblichen Tatsachen selbst vor, ist für die Anrechnung der Geschäftsgebühr nicht darauf abzustellen, ob der Erstattungspflichtige die Anrechnung tatsächlich einwendet.
- § 15a RVG kann gem. § 60 Abs. 1 RVG nur auf solche Fälle angewendet werden, in denen der unbedingte Auftrag an den Anwalt nach dem 5.8.2009 erteilt worden ist.
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.8.2009 – I-20 W 62/09
1 Aus den Gründen
Die zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers hat in der Sache keinen Erfolg. Zu recht und mit zutreffender Begründung hat die Rechtspflegerin in dem angefochtenen Beschluss nur die um die hälftige Geschäftsgebühr verminderte Verfahrensgebühr gegen den Antragsgegner festgesetzt.
Nach der Rspr. des BGH ist – entgegen einer zuvor weit verbreiteten Praxis – die Anrechnungsvorschrift ihrem Wortlaut entsprechend so zu verstehen, dass sich nicht etwa die vorgerichtlich anfallende Geschäftsgebühr vermindert, sondern dass die im gerichtlichen Verfahren allein festsetzbare Verfahrensgebühr infolge der Anrechnung nur in verminderter Höhe entsteht (BGH NJW 2007, 2049, 2050 [= AGS 2007, 283]; BGH NJW 2008, 1323, 1324 [= AGS 2008, 158]).
Hier ergibt sich bereits aus der Antragsschrift, dass die Verfahrensbevollmächtigten den Antragsteller bereits vorgerichtlich vertreten haben, indem sie mit Schreiben vom 27.1.2009 das streitgegenständliche Verhalten abgemahnt haben. Damit ergibt sich bereits aus dem Vorbringen des Antragstellers, dass eine vorgerichtliche Geschäftsgebühr angefallen ist, die hälftig auf die Verfahrensgebühr anzurechnen ist.
Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht des Antragstellers auch nicht aus dem Beschluss BGH NJW 2008, 1323. Soweit sich die Antragsteller auf den a.a.O. S. 1325 zu findenden Satz "zudem ist eine Anrechnung nicht von Amts wegen, sondern erst auf substantiierten, über eine Äußerung bloßer Vermutungen hinausgehenden Einwand des Festsetzungsgegners zu beachten" beziehen, missverstehen sie diesen Satz. Der BGH setzt sich in der betreffenden Passage mit den gegen seine Rechtsprechung erhobenen Einwänden auseinander und verweist letztlich zutreffend auf die Selbstverständlichkeit, dass auch im Kostenfestsetzungsverfahren nicht die Offizialmaxime, sondern der Beibringungsgrundsatz gilt. Die Ausführungen können nicht so verstanden werden, dass der BGH hier ohne jeden Anhalt im Gesetz und ohne jede inhaltliche Begründung eine echte Einrede schaffen wollte. Vielmehr wird der allgemeine zivilprozessuale Grundsatz wiederholt, dass das Gericht den Sachverhalt nicht von Amts wegen aufklärt. Dies ist indes hier auch gar nicht erforderlich, denn der Antragsteller hat die für die Anrechnung erheblichen Tatsachen selber vorgetragen. Die Situation ist damit nicht anders als bei einer teilweise unschlüssigen Klage: Auch in einem derartigen Fall stellt sich die Abweisung des unbegründeten Teils trotz Säumnis des Gegners nicht als Durchbrechung des Beibringungsgrundsatzes dar. Ebenso wenig, wie man gegen eine unschlüssige Klage den "Unschlüssigkeitseinwand" erheben muss, muss man sich danach gegen einen – teilweise – unschlüssigen Kostenfestsetzungsantrag durch Erhebung einer weder prozessual noch materiell-rechtlich vorgesehenen Einrede verteidigen.
Soweit der Antragsteller in seiner Beschwerdeschrift vom 4.6.2009 auf den neu gefassten § 15a RVG abstellt, ist festzuhalten, dass dieser erst am 5.8.2009 in Kraft getreten ist. Nach § 60 Abs. 1 RVG kann er daher nur auf solche Fälle angewendet werden, in denen der unbedingte Auftrag an den Anwalt nach dem 5.8.2009 erteilt worden ist.
2 Anmerkung
Zu Leitsatz 1: Das OLG Düsseldorf hat § 15a RVG wegen § 60 Abs. 1 S. 1 RVG im vorliegenden Fall nicht angewandt (vgl. Leitsatz 2 und die Anm. hierzu). Allerdings stellt die Entscheidung zutreffend fest, dass die Erhebung des Anrechnungseinwands durch den Erstattungspflichtigen nicht in jedem Fall erforderlich ist. Insoweit ist die Entscheidung daher auch für die nach § 15a Abs. 2 RVG erforderliche Berufung auf die Anrechnung von Bedeutung. Nach dem Wortlaut von § 15a Abs. 2 RVG kann sich der Dritte auf die Anrechnung nur aus den drei in § 15a Abs. 2 RVG aufgeführten Fällen berufen. Deshalb ist die Anrechnung in der Kostenfestsetzung grds. nicht von Amts wegen, sondern nur auf den Anrechnungseinwand des Erstattungspflichtigen zu berücksichtigen. Berufung i.S.v. § 15a Abs. 2 RVG bedeutet, dass der Erstattungspflichtige die Anrechnung substantiiert und über eine Äußerung bloßer Vermutungen hinaus einwenden muss (BGH RVGreport 2008, 148 [= AGS 2008, 158]).
Die tatsächliche Erhebung des substantiierten Anrechnungseinwands wird jedoch nicht in jedem Fall zur Voraussetzung für die Berücksichtigung der Anrechnung gemacht werden können. So muss insbesondere eine doppelte Titulierung von Kosten ausgeschlossen werden. Ist die Geschäftsgebühr daher z.B. bereits im Urteil tituliert, kann der Rechtspfleger diesen Umstand im Rahmen der Kosten...