FGG §§ 50a, 50b; RVG VV Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104
Leitsatz
In Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit über die elterliche Sorge fällt keine Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV an.
OLG Braunschweig, Beschl. v. 27.1.2009–3 WF 4/09
1 Aus den Gründen
Entgegen der Auffassung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin ist eine Terminsgebühr gem. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV hier nicht entstanden. Nach diesem Gebührentatbestand entsteht eine Terminsgebühr, wenn in einem Verfahren, für das eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien oder gem. § 307 oder § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung entschieden oder in einem solchen Verfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird. Eine derartige Situation liegt in dem hier anhängigen Sorgerechtsverfahren nicht vor. Zwar enthält § 50a FGG eine Regelung, wonach eine Anhörung der Beteiligten erfolgen soll. Dies rechtfertigt indes nicht die Annahme, dass in Sorgerechtsverfahren eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben oder aber die eine entsprechende Anwendung des Gebührentatbestandes gebietende ähnliche Situation gegeben ist.
Auf die Entscheidung des OLG Schleswig v. 30.3.2007–15 WF 41/07 kann sich die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin nicht berufen. Das OLG Schleswig stützt seine Auffassung, eine analoge Anwendung von Anm. Abs. 1 zu Nr. 3104 VV sei in Sorgerechtsverfahren gerechtfertigt, darauf, dass die einschlägigen Bestimmungen der §§ 50a und 50b FGG eine mündliche Verhandlung über die elterliche Sorge "gebieten", was eine zwingende persönliche, also mündliche Anhörung der Eltern bedeute. Diese Auffassung, die in Rspr. u. Lit. vereinzelt geblieben ist, vermag nicht zu überzeugen. Zu folgen ist vielmehr der ganz herrschenden Meinung, wonach die Regelung in Anm. Abs. 1 zu Nr. 3104 VV in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit über die elterliche Sorge nicht zur Anwendung gelangt (so OLG Köln, Beschl. v. 21.6.2007–4 WF 32/07, zitiert nach Juris, Rn 5 ff.; OLG Köln, Beschl. v. 24.4.2008–21 WF 103/08, zitiert nach Juris, dort Rn 3; OLG Koblenz, Beschl. v. 21.5.2008–13 WF 391/08, zitiert nach Juris, Rn 6 f.; OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.7.2006–8 WF 96/06 zitiert nach Juris, Rn 3, 4; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 32. Aufl., Rn 32 zu VV Nr. 3104; Hartmann, KostG 2008, Rn 18 zu § 3104 VV; Schneider/Wolf RVG, 3. Aufl., Rn 19 zu § 3104 VV). Bei der in den §§ 50a, 50 b FGG vorgesehenen Anhörung der Eltern und des Kindes handelt es sich nicht um eine mündliche Verhandlung, wie sie in Anm. Abs. 1 zu Nr. 3104 VV gemeint ist. Die Anhörung dient nämlich nicht vorrangig der Gewährung rechtlichen Gehörs, sondern der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks durch das Gericht (OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.7.2006–8 WF 96/06 zitiert nach Juris, dort Rn 4; vgl. auch Gerold/Schmidt/Müller-Rabe a.a.O. Rn 32 zu Nr. 3104 VV). Aus diesem Grunde liegt auch eine andere Situation vor als etwa in den Verfahren nach dem früheren WEG, für die der BGH in seinem Beschl. v. 9.3.2006 (V ZB 164/05, zitiert nach Juris) die Anwendung der Anm. Abs. 1 zu Nr. 3104 VV bejaht hat.
2 Anmerkung
Nach der bisherigen Rechtslage war es problematisch, inwieweit Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV in FGG-Verfahren zur Anwendung kommen konnte. So wurde in Kindschaftssachen (frühere Kindessachen) überwiegend eine Terminsgebühr bei einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren oder bei Abschluss eines schriftlichen Vergleichs abgelehnt mit der Begründung, eine mündliche Verhandlung sei in diesen Verfahren nicht vorgeschrieben. Dagegen wurde in Verfahren nach der früheren HausratsVO die Terminsgebühr im schriftlichen Verfahren oder bei Abschluss eines schriftlichen Vergleichs gewährt, weil dort (§ 13 HausratsVO) geregelt war, dass das Gericht mündlich verhandeln soll. Insoweit hat die Rechtsprechung auf die Entscheidungen des BGH zu den WEG-Verfahren alter Fassung zurückgegriffen, wonach das Gericht zur Durchführung der mündlichen Verhandlung verpflichtet war, wenn das Gesetz in FGG-Sachen angeordnet hatte, dass mündlich verhandelt werden "soll". Es durfte in diesen Fällen nur im Einverständnis mit den Beteiligten von einer mündlichen Verhandlung absehen.
In den Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach dem FamFG finden sich zum Teil keine besonderen Regelungen, ob über die Sache verhandelt oder erörtert werden soll. Insoweit gilt § 32 FamFG, wonach die Verhandlung oder Erörterung dem Gericht freigestellt ist (so z.B. in Gewaltschutzsachen). Es handelt sich dann also nicht um Verfahren mit obligatorischer mündlicher Verhandlung oder Erörterung, so dass in diesen Verfahren jedenfalls keine Terminsgebühr ausgelöst wird, wenn eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren ergeht oder – soweit überhaupt möglich – ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird. Anders verhält es sich dagegen in den Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, in denen in Buch 2 des FamFG angeordnet ist, dass das Gericht mit den Beteiligten die Sache erörtern soll, so in