ZPO § 91 Abs. 2; RVG VV Nr. 3201
Leitsatz
Der sich selbst vertretende Rechtsanwalt verdient für die Entgegennahme und Bearbeitung der gegnerischen Berufung eine 0,5-Verfahrensgebühr, die ihm der Berufungsführer nach Rücknahme der Berufung zu erstatten hat.
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.6.2009 - I-24 W 27/09
1 Aus den Gründen
Die Klägerin wendet sich ohne Erfolg gegen die Festsetzung von 1,1-Verfahrensgebühren gem. Nr. 3200, 3201 VV.
Zunächst ergibt sich aus § 91 Abs. 2 S. 3 ZPO, dass jedem Rechtsanwalt in eigener Sache die Gebühren eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes zu erstatten sind. Der Beklagte kann also verlangen, so gestellt zu werden, als hätte er einen anderen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung beauftragt.
Durch die Entgegennahme der Berufung der Klägerin hat der Beklagte auch im Berufungsrechtszug vor dem erkennenden Senat eine Verfahrensgebühr verdient. Das Entstehen der Verfahrensgebühr 2. Instanz setzt voraus, dass in dieser Instanz ein Prozessrechtsverhältnis entstanden ist. Dies ist hier mit Einlegung der Berufung durch die Klägerin und deren vom Senat veranlasste Zustellung geschehen.
Im Übrigen erhält der Anwalt die Gebühr für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information (Vorbem. 3 Abs. 2 VV). Auch diese Voraussetzung liegt vor. Als anwaltlicher Vertreter eines Berufungsgegners hätte der Beklagte diesen über die Auswirkungen der Einlegung des Rechtsmittels und das weitere Vorgehen beraten müssen. Die Erstberatung für den zweiten Rechtszug wird aus Sicht des Berufungsgegners nämlich schon mit der Zustellung der Berufungsschrift notwendig und löst eine Gebühr für den zweiten Rechtszug aus. Dass diese Beratung nur dahin geht, es brauche vor Zustellung der Berufungsbegründung keine Maßnahme zur Abwehr des Rechtsmittels ergriffen zu werden, ändert an der Entstehung der Gebühr nach Nr. 3201 VV und deren Erstattungsfähigkeit nichts.
Übertragen auf den sich selbst vertretenden Rechtsanwalt bedeutet dies, dass sich der Beklagte in einer Art "In-sich-Geschäft" mit seinem weiteren Vorgehen in der Berufungsinstanz hat beschäftigen müssen, indem er sich gleichsam selbst das zweitinstanzliche Mandat übertrug und mit sich selbst zu Rate ging.
Mitgeteilt von VRiOLG Joachim Ziemßen, Düsseldorf
2 Anmerkung
Anders entschieden hatte der BGH. Nach seiner Auffassung erhält ein Anwalt, der sich selbst vertritt, keine Verfahrensgebühr für das Berufungsverfahren erstattet, wenn die Berufung des Prozessgegners nur fristwahrend eingelegt und innerhalb der Begründungsfrist zurückgenommen worden ist. Bei einer nicht rechtskundigen Partei seien die Kosten eines beauftragten Anwalts in diesem Fall nur deshalb erstattungsfähig, weil sie in einer als risikobehaftet empfundenen Situation eine anwaltliche Vertretung für erforderlich halten dürfe. Ein Anwalt, der sich selbst vertrete, empfinde die Situation nicht in gleicher Weise als risikobehaftet und bedürfe keines Rates. Dafür, Information und Beratung zu fingieren, bestehe keinerlei Anlass.
Norbert Schneider