Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenerstattung in der Berufungsinstanz eines einstweiligen Verfügungsverfahrens: Erstattungsfähigkeit der vollen anwaltlichen Verfahrensgebühr für den Berufungsbeklagten bei Berufungsrücknahme vor der Begründung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Berufungsbeklagte hat Anspruch auf eine volle 1,6-fache Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3200 RVG-VV, wenn der Berufungskläger die Berufung nicht begründet, sondern mitteilt, von der Berufung Abstand zu nehmen, und der Berufungsbeklagte zuvor bereits einen Schriftsatz mit dem Sachantrag auf Verwerfung der Berufung als unzulässig eingereicht hat. Dies gilt auch dann, wenn der Berufungskläger bereits im Berufungsschriftsatz darauf hingewiesen hat, dass die Berufungseinlegung nur aus Fristwahrungsgründen erfolge und der Berufungsbeklagte aufgefordert werde, von der Bestellung eines beim Berufungsgericht zugelassenen Prozessbevollmächtigten Abstand zu nehmen, bis die Berufung begründet werde (vergleiche BGH, Beschluss vom 2. Juli 2009 - V ZB 54/09, NJW 2009, 3102). Mit dieser Vorgehensweise seines Prozessbevollmächtigten hat der Berufungsbeklagte seine berechtigten Interessen an einem schnellen Abschluss des Berufungsverfahrens wahrgenommen. Dass bis dahin noch nicht feststand, ob das Berufungsverfahren tatsächlich durchgeführt wird, ändert daran nichts; denn der Prozessbevollmächtigte hat sich mit der in diesem Zeitpunkt allein maßgeblichen Frage der Zulässigkeit der Berufung auseinandergesetzt, welche auch streitig war.(Rn. 27)

 

Normenkette

RVG-VV Nrn. 3200-3201; ZPO § 91 Abs. 1 S. 1 Hs. 2

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 11.02.2022; Aktenzeichen 25 O 6491/21)

LG München I (Beschluss vom 14.07.2022; Aktenzeichen 25 O 6491/21)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Verfügungsbeklagten vom 12.09.2022 wird der Beschluss des Landgerichts München I vom 14.07.2022 (25 O 6491/21) aufgehoben; es verbleibt bei dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts München I bezüglich der zu erstattenden Kosten der II. Instanz vom 11.02.2022 (25 O 6491/21), wonach die von der Klagepartei/Antragsteller an die Beklagtenpartei/Antragsgegner zu erstattenden Kosten der II. Instanz auf 993,89 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 28.12.2021 festgesetzt werden.

2. Die sofortige Beschwerde des Verfügungsklägers vom 25.02.2022 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts München I vom 11.02.2022 (25 O 6491/21) wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten der Beschwerdeverfahren trägt der Verfügungskläger.

4. Der Beschwerdewert wird auf insgesamt 993,89 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Durch Endurteil des Landgerichts München I vom 25.06.2021 war der Antrag des Verfügungsklägers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen worden.

Hiergegen legte der Verfügungskläger mit Schriftsatz vom 06.10.2021 Berufung ein. In dem Berufungsschriftsatz wurde darauf hingewiesen, dass die Berufungseinlegung zunächst fristwahrend erfolge, und der Berufungsbeklagte wurde aufgefordert, von der Bestellung eines beim Berufungsgericht zugelassenen Prozessbevollmächtigten Abstand zu nehmen, bis die Berufung begründet werde.

Mit Schriftsatz vom 15.10.2021 zeigte der ursprüngliche Prozessbevollmächtigte des Verfügungsbeklagten Rechtsanwalt B. dessen anwaltliche Vertretung auch für die Berufungsinstanz an und beantragte, die Berufung als unzulässig abzuweisen und die Kosten der Berufung dem Kläger aufzuerlegen, da die Berufung nach Ablauf der Berufungsfrist eingelegt worden sei. Hierzu führte er in dem Schriftsatz näher aus.

Mit Schriftsatz vom 26.10.2021 beantragte der Verfügungskläger Fristverlängerung zur Begründung der Berufung bis 08.12.2021. Er trat den Ausführungen der Beklagtenpartei im Schriftsatz vom 15.10.2021 entgegen, führte jedoch aus, dass Anträge und Begründung der Begründungsschrift vorbehalten blieben.

Die Berufungsbegründungsfrist wurde antragsgemäß bis 08.12.2021 verlängert.

Mit weiterem Schriftsatz vom 08.11.2021 machte der Verfügungsbeklagte zusätzlich geltend, dass auch das Rechtsschutzbedürfnis für die Berufung entfallen sei, da bereits aufgrund des Verhaltens der Klagepartei eine besondere Dringlichkeit nicht mehr gegeben sei.

In der weiteren Folge teilte der Verfügungskläger mit Schriftsatz vom 06.12.2021 unter Bezugnahme auf die ausdrücklich rein fristwahrend eingelegte Berufung mit, dass er von der Durchführung des Verfahrens Abstand nehme und eine Begründung der Berufung daher nicht erfolgen werde.

Mit Schriftsatz seines zwischenzeitlichen Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt Sch. vom 10.12.2021 beantragte der Verfügungsbeklagte, durch Beschluss die Kosten des Rechtsstreits dem Verfügungskläger aufzuerlegen.

Durch Beschluss vom 21.12.2021 verwarf das Oberlandesgericht München die Berufung, erlegte dem Kläger die Kosten des Berufungsverfahrens auf und setzte den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 8.000,00 EUR fest.

Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 28.12.2021 beantragte der Kläger die Festsetzung der zweitinstanzlichen A...

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