An dieser Entscheidung ist fast alles falsch.
1. Kein Fall des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG
Der Wortlaut des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG ist eindeutig: "Ist der frühere Auftrag seit mehr als zwei Kalenderjahren erledigt, gilt die weitere Tätigkeit als neue Angelegenheit ..." Voraussetzung ist also, dass der ursprüngliche Auftrag erledigt sein muss. Das OLG Brandenburg setzt die Erledigung mit der Fälligkeit gleich, was unzutreffend ist und keine Stütze im Gesetz findet. Richtig ist zwar, dass die Vergütung aus einer Angelegenheit, die erledigt ist, fällig wird (§ 8 Abs. 1 S. 1 RVG). Die Erledigung führt also immer zur Fälligkeit. Dagegen führt die Fälligkeit aber nicht zur Erledigung. Die Fälligkeit setzt auch keine Erledigung voraus. Eine Vergütung kann auch fällig werden, ohne dass ein Verfahren erledigt ist. Andernfalls wäre die Vorschrift des § 8 Abs. 1 S. 2 RVG überflüssig und sinnlos.
Erledigt ist eine Angelegenheit, wenn der Anwalt das Rechtsschutzziel des Mandanten erreicht hat oder wenn feststeht, dass das Rechtsschutzziel nicht zu erreichen ist. Das ist aber im Falle der Aussetzung eines Verfahrens nicht der Fall. Ebenso wie bei einer Unterbrechung oder beim Ruhen des Verfahrens muss der Anwalt auch im Falle einer Aussetzung weiterhin tätig bleiben und regelmäßig überprüfen, ob der Aussetzungsgrund nicht entfallen ist, so dass die Fortsetzung des Verfahrens beantragt werden muss. Die Aussetzung eines Verfahrens führt also nicht dazu, dass der Anwalt untätig bleiben darf. Er ist weiterhin in dieser Angelegenheit tätig. Die Sache ist somit für ihn nicht erledigt. Nach ganz überwiegender Auffassung wird daher auch in Fällen des Ruhens des Verfahrens, der Aussetzung oder der Unterbrechung kein Fall des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG angenommen.
2. Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde
In Anbetracht der ganz herrschenden gegenteiligen Auffassung hätte die Rechtsbeschwerde zugelassen werden müssen. Die inhaltsleere Floskel, die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO seien nicht gegeben, ist offenbar gedankenlos hingeschrieben.
3. Einheitlich altes Gebührenrecht
Daraus, dass die Angelegenheit sich nicht erledigt hatte, folgt, dass kein neuer Auftrag vorlag und folglich nach § 61 RVG weiterhin die BRAGO anwendbar blieb.
4. Postentgeltpauschale
Wenn man hier schon von zwei verschiedenen Angelegenheiten ausgeht, dann hätte hier auch eine zweite Postentgeltpauschale festgesetzt werden müssen. Insoweit liegt der Fehler allerdings möglicherweise nicht beim Gericht, sondern beim Anwalt, der diese nicht angemeldet hat.
5. Umsatzsteuer
Hinsichtlich der Umsatzsteuer ist die Differenzierung zutreffend. Mit Ablauf von drei Monaten nach Aussetzung des Verfahrens würde die bis dahin verdiente Vergütung fällig (§ 8 Abs. 1 S. 2 RVG), so dass diese sich noch nach dem geringeren Umsatzsteuersatz von 16 % richtet und erst die restliche Vergütung mit 19 % zu versteuern war.
6. Reisekosten
Die umfangreichen Ausführungen zur Erstattung der Reisekosten waren überflüssig. Ein Blick ins Gesetz hätte genügt. Dann hätte das Gericht nämlich festgestellt, dass dem Anwalt hier gar keine Reisekosten zustanden. Nach § 30 BRAGO = Vorbem. 7 Abs. 2 S. 3 VV kann ein Rechtsanwalt, der seine Kanzlei an einen anderen Ort verlegt, bei Fortführung eines ihm zuvor erteilten Auftrags Reisekosten nur insoweit verlangen, als sie auch von seiner ursprünglichen Kanzlei aus entstanden wären. Mit anderen Worten: Bereits nach dem Gebührenrecht (unabhängig davon, ob BRAGO oder RVG anwendbar war), sind erst gar keine Reisekosten des Anwalts entstanden. Über die Erstattungsfähigkeit von Kosten, die nicht entstanden sind, braucht man sich aber keine Gedanken zu machen.
Norbert Schneider