RVG VV Nrn. 2300, 3100
Leitsatz
Nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV ist die Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr anzurechnen, nicht aber umgekehrt die Verfahrensgebühr auf die Geschäftsgebühr. In diesem Zusammenhang haben die Beauftragung des Rechtsanwaltes zur vorprozessualen presserechtlichen Abmahnung des Gegners und die Beauftragung zur Geltendmachung des presserechtlichen Anspruches im einstweiligen Verfügungsverfahren denselben Gegenstand.
KG, Beschl. v. 2.4.2009–2 W 134/08
1 Sachverhalt
Die Antragstellerin hatte die Antragsgegnerin vorprozessual wegen einer beanstandeten Bildberichterstattung abgemahnt. Sie ließ sich dabei von ihren späteren Prozessbevollmächtigten vertreten. Hierfür stellten die Prozessbevollmächtigten eine 1,5-Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 VV in Rechnung. Die Antragstellerin nahm die Antragsgegnerin sodann im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes auf Unterlassung der Bildberichterstattung in Anspruch. Das LG Berlin gab dem Antrag statt und legte der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens auf.
Es setzte sodann die der Antragsgegnerin zu erstattenden Kosten fest, wobei es eine ungekürzte 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV berücksichtigte. Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer sofortigen Beschwerde. Zur Begründung macht sie geltend, die Verfahrensgebühr sei gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV wegen der vorprozessual entstandenen Geschäftsgebühr zu kürzen. Das LG hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem KG zur Entscheidung vorgelegt.
2 Aus den Gründen
Die sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg, denn die von der Antragstellerin geltend gemachte Verfahrensgebühr war gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV um die Hälfte der angefallenen Geschäftsgebühr zu kürzen.
a) Nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV ist die Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr anzurechnen, nicht aber umgekehrt die Verfahrensgebühr auf die Geschäftsgebühr. Dies haben mehrere Senate des BGH jüngst wiederholt ausgesprochen (vgl. nur BGH NJW 2008, 1323; BGH RVGreport 2008, 470) und der erkennende Senat hat sich dieser Rspr. angeschlossen (vgl. Senat, Beschl. vom 11.12.2008–2 W 222/08). Zur Begründung ist im Wesentlichen auf den insofern eindeutigen Wortlaut der Vorbem. 3 Abs. 4 VV zu verweisen.
b) Die Geschäftsgebühr ist in Höhe von 1,5 Gebühreneinheiten entstanden. ...
c) Schließlich hat die Anrechnung auch nicht aus dem vom LG angeführten Grund zu unterbleiben, wonach das vorprozessuale Tätigwerden auf die Bereinigung der Hauptsache bezogen sei, weshalb die Geschäftsgebühr allenfalls auf eine im Hauptsacherechtsstreit entstandenen Gebühr anzurechnen sei, nicht aber auf eine im einstweiligen Rechtsschutzverfahren entstandene Gebühr. Dies hat der Senat ebenfalls bereits entschieden (Senat, Beschl. v. 11.12.2008–2 W 222/08). Denn die vorprozessuale Abmahnung und das Verfügungsverfahren haben denselben Gegenstand im Sinne des Gebührenrechts (ebenso OLG München WRP 1982, 542, zu § 118 Abs. 2 BRAGO). Zwar hat die Abmahnung die Funktion, eine Streitbeilegung in der Hauptsache ohne Inanspruchnahme der Gerichte zu erreichen. Sie soll aber zugleich die Möglichkeit ausschließen, dass der Gegner den gerichtlich geltend gemachten Anspruch mit der Kostenfolge des § 93 ZPO anerkennt (BGH, Beschl. v. 6.12.2007 – I ZB 16/07, NJW 2008, 2040 [= AGS 2008, 366]). Insoweit bereitet die Abmahnung zumindest auch ein mögliches einstweiliges Verfügungsverfahren vor. Zudem ist der Grundgedanke der Vorbem. 3 Abs. 4 VV, dass die vom Rechtsanwalt geleistete Vorarbeit in dem anschließenden Gerichtsverfahren verwertet wird (BGH, Beschl. v. 22.1.2008 – VIII ZB 57/07 –, NJW 2008, 1323, Rn 11 zit. nach Juris). Dies trifft auch auf das Verfügungsverfahren zu (ebenso OLG Hamburg WRP 1981, 470, 472, zu § 118 Abs. 2 BRAGO; OLG Frankfurt RVGreport, 2008, 314 [= AGS 2008, 442]).
5. Die Rechtsbeschwerde war gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 und 3 ZPO nicht zuzulassen.
Zwar wird die Vorbem. 3 Abs. 4 VV in der obergerichtlichen Rspr. z.T. weiterhin anders ausgelegt als hier – vgl. oben Nr. 2.a) – (KG, 1. Zivilsenat, Beschl. v. 31.3.2008–1 W 111/08, AGS 2008, 216). In Anbetracht der insoweit eindeutigen Positionierung des BGH erscheint es jedoch nicht erforderlich, zur Sicherung einer einheitlichen Rspr. die Rechtsbeschwerde zuzulassen.
Ferner wurde in der obergerichtlichen Rspr. zwar z. T. abweichend von oben – Nr. 2.c) – die Auffassung vertreten, dass das Abmahnschreiben und ein späteres Abschlussschreiben eine einheitliche Angelegenheit darstellen, für die der Rechtsanwalt nur eine Geschäftsgebühr geltend machen könne, welche auf die Gebühren des Hauptsacheverfahrens zu verrechnen sei (KG, 9. Zivilsenat, Urt. v. 13.6.2006–9 U 251/05, AfP 2006, 369). Jedoch hat sich der BGH mittlerweile der hier vertretenen gegenteiligen Auffassung angeschlossen (BGH, Urt. v. 4.3.2008 – VI ZR 176/07, NJW 2008, 1744; BGH, Beschl. v. 2.10.2008 – I ZB 30/08, RVGreport 2008, 470).
3 Anmerkung
Die Entscheidung des KG ist unzutreffend.
Die Abmahnung betrifft die Hauptsache, weil mit der Abmahnung vom Gegner gefo...