RVG VV Vorbem. 5 Abs. 4, Nr. 3100
Leitsatz
- Die Verhängung eines Fahrverbotes rechtfertigt bei ansonsten unterdurchschnittlichen Kriterien den Ansatz einer Mittelgebühr.
- Im Verfahren auf gerichtliche Entscheidung gegen die Kostenentscheidung in einem Einstellungsbeschluss der Verwaltungsbehörde entsteht eine 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV.
AG Dresden, Beschl. v. 7.4.2010–2313 OWi 0–798/09
Sachverhalt
Auf den Einspruch der Verteidigerin hatte die Bußgeldbehörde den Bußgeldbescheid zurückgenommen und eine Einstellungsverfügung erlassen, mit der die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Stadtkasse nicht auferlegt wurden. Gegen diesen Beschluss stellte die Verteidigerin einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Daraufhin nahm die Bußgeldstelle erneut den Bußgeldbescheid zurück, stellte das Bußgeldverfahren wiederum ein und entschied, dass die notwendigen Auslegen des Betroffenen der Stadtkasse auferlegt würden.
Daraufhin beantragte die Verteidigerin, folgende Gebühren und Auslagen festzusetzen:
Bußgeldverfahren
Nr. 5100 VV, Grundgebühr |
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117,50 EUR |
Nr. 5103 VV, Verfahrensgebühr |
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192,50 EUR |
Nr. 5115 VV, Verfahrensgebühr |
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135,00 EUR |
Nr. 7002 VV, Auslagenpauschale |
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20,00 EUR |
Nr. 7000 VV, Dokumentenpauschale, 30 Kopien aus Akte |
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15,00 EUR |
Akteneinsichtspauschale |
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12,00 EUR |
Zwischensumme |
492,00 EUR |
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19 % Mehrwertsteuer |
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93,48 EUR |
Gesamt |
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585,48 EUR |
Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. §§ 108, 62, 68 OWiG (Wert: 585,48 EUR)
Nr. 3100 VV, Verfahrensgebühr |
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58,50 EUR |
Nr. 7002 VV, Auslagenpauschale |
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11,70 EUR |
Zwischensumme |
70,20 EUR |
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19 % Mehrwertsteuer |
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13,34 EUR |
Gesamt |
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83,54 EUR |
Festgesetzt wurden lediglich
1. |
Grundgebühr (Nr. 5100 VV) |
80,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr (Nr. 5103 VV) |
100,00 EUR |
3. |
zusätzliche Gebühr (Nr. 5115 VV) |
135,00 EUR |
4. |
Telekommunikationspauschale (Nr. 7002 VV) |
20,00 EUR |
5. |
Dokumentenpauschale für 30 Kopien |
15,00 EUR |
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gezahlte Akteneinsichtsgebühr |
12,00 EUR |
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Umsatzsteuer |
68,78 EUR |
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Gesamt |
430,78 EUR |
Dagegen stellte der Betroffene wiederum Antrag auf gerichtliche Entscheidung, der zum Teil Erfolg hatte.
Aus den Gründen
a) Bußgeldverfahren
Die von der Verteidigerin festgesetzten Gebühren Nr. 5100 VV sowie Nr. 5103 VV sind unbilligerweise überhöht i.S.v. § 14 Abs. 1 S. 4 RVG und daher nicht verbindlich.
Grundlage der Bestimmung der angemessenen Gebühr sind die in § 14 Abs. 1 RVG aufgeführten Kriterien, namentlich Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit. Dabei ist mit dem Umfang der anwaltlichen Tätigkeit vor allem der zeitliche Aufwand gemeint, den der Rechtsbeistand auf die Führung des Mandates verwendet hat. Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit hingegen zielt auf die qualitativen Anforderungen an die Arbeit des Verteidigers in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht ab.
Im vorliegenden Verfahren handelt es sich um einen außerordentlich schlicht gelagerten Sachverhalt einer Geschwindigkeitsmessung mit fotografischer Dokumentation aufgrund des Einsatzes des standardisierten Messverfahrens Truvelo Rotlicht M4. Die Fahreridentität war zweifelhaft, weswegen eine Verfahrenseinstellung erfolgte. Im Hinblick auf die Schwierigkeit anwaltlicher Tätigkeit stellt der Fall somit unterdurchschnittliche Anforderungen in rechtlicher und auch in tatsächlicher Hinsicht. Auch der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit war im Vergleich zu einem "normalen" Ordnungswidrigkeitenverfahren im Straßenverkehr gering. Die Heranziehung der Mittelgebühr ist nur deshalb ausnahmsweise angezeigt, weil gegen den Betroffenen ein Fahrverbot im Bußgeldbescheid festgesetzt war, mithin eine Sanktion, die in weiten Teilen der Bevölkerung als weit stärkere Beschränkung persönlicher Freiheiten angesehen wird als die Verhängung eines Bußgeldbetrages.
Die Entscheidung der Bußgeldbehörde war nur insoweit zu korrigieren, als durch diese Gebühren unterhalb der Mittelgebühr festgesetzt wurden:
Grundgebühr (Nr. 5100 VV) |
85,00 EUR |
Verfahrensgebühr (Nr. 5103 VV) |
135,00 EUR |
Damit ist gleichzeitig festgestellt, dass die von der Rechtsanwältin getroffene Gebührenbestimmung nicht verbindlich ist, weil die Gebühr nach einer Gesamtabwägung unbillig ist und ein Fall des Ermessensmissbrauchs vorliegt. Denn Unbilligkeit ist regelmäßig dann zu bejahen, wenn die von dem Rechtsanwalt bestimmte Gebühr die von dem Gericht für angemessen erachtete um mehr als 20 % überschreitet.
Die ist hier der Fall.
Die sonstige Festsetzung der notwendigen Auslagen im Bußgeldverfahren wurde weder angegriffen, noch ist sie zu beanstanden.
b) Verfahren des Antrags auf gerichtliche Entscheidung
Gem. der Vorbem. 5 Abs. 4 VV entsteht für das Verfahren über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen einen Kostenfestsetzungsbescheid und den Ansatz der Gebühren und Auslagen eine Gebühr nach den Vorschriften des Teil 3 VV, hier also die Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV.
Die hierauf gerichtete anwaltliche Tätigkeit wurde erbracht, indem der Antrag bei der Bußgeldbehörde eingereicht wurde. Die Gebühr in Höhe des 1,3-fachen Satzes beträgt unter Zugrundelegung der angemessenen Gebühren für das B...