GKG-KostVerz. Nr. 9003 Nr. 1
Leitsatz
Wird dem Antrag eines Rechtsanwalts auf Akteneinsicht stattgegeben und die Akte ins Gerichtsfach des am Ort der aktenführenden Stelle ansässigen Rechtsanwalts eingelegt, so fällt die Aktenversendungspauschale nicht an (Anschluss an LAG Kiel, v. 9.2.2007–1 Ta 62/06, NJW 2007, 2510).
LG Chemnitz, Beschl. v. 3.2.2010–2 Qs 112/09
Sachverhalt
Der beschwerdeführende Verteidiger hatte bei der Staatsanwaltschaft wegen zivilrechtlicher Ansprüche gegen den vorherigen Verteidiger Akteneinsicht durch Übergabe an sein Postfach am LG beantragt, welches sich mit AG und Staatsanwaltschaft in einem gemeinsamen Justizzentrum befindet. Die Akteneinsicht wurde antragsgemäß bewilligt.
Später beantragte der Beschwerdeführer nochmals bei der Staatsanwaltschaft Akteneinsicht durch Einlegung ins Postfach. Das AG übersandte daraufhin die Akte – versehentlich – durch einen Zustelldienst an die Kanzlei. Zugleich wurde gebeten, den Auslagenpauschbetrag von 12,00 EUR gem. §§ 28 Abs. 2, 3 Abs. 2, Nr. GKG-KostVerz. durch die Kanzlei zu entrichten. Der Bitte des Beschwerdeführers um Stornierung kam die Urkundsbeamtin des AG nicht nach.
Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass die Pauschale nach Nr. 9003 GKG-KostVerz. auch die Aufwendungen entgelte, die bei Einlegung ins Fach durch Anlegen eines Kontrollhefts und Überwachung der Rückgabe entstehen. Dagegen legte der Beschwerdeführer Erinnerung ein. Der Bezirksrevisor beantragte, die Erinnerung als unbegründet zu verwerfen. Das AG half der Erinnerung nicht ab. Zur Begründung verwies es auf die Möglichkeit der kostenfreien Akteneinsicht in der Geschäftsstelle und den durch Herausgabe entstandenen Aufwand. Auf weitere Ausführungen des Verteidigers zu abweichender Rspr. ließ es mit weiterem Beschluss ergänzend die Beschwerde gem. § 66 Abs. 2 S. 2 GKG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zu.
Der Verteidiger legte Beschwerde ein mit dem Antrag, die Aktenversendungspauschale zu erlassen. Das AG half der Beschwerde nicht ab und legte die Sache der Kammer vor. Der Bezirksrevisor beim AG Chemnitz beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen. Er verweist auf vier entsprechende Entscheidungen des AG Chemnitz.
Die Beschwerde hatte Erfolg.
Aus den Gründen
Die Beschwerde gegen die gerichtliche Entscheidung über den Kostenansatz für die Versendung von Akten ist nach §§ 19 Abs. 4 u. 5, 66 Abs. 2 GKG zulässig. Zwar wurde der Beschwerdewert nicht erreicht, jedoch ist sie gem. § 66 Abs. 2 S. 2 GKG vom AG zugelassen worden. Ferner ist eine Beschwer des Verteidigers als Kostenschuldner gem. § 28 Abs. 2 GKG gegeben, selbst wenn er die Kosten vom Auftraggeber erstattet verlangen kann (BVerfG NJW 1995, 3177; VG Meiningen JurBüro 2006, 36).
Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Die hier maßgebliche Vorschrift für die Erstattung von Auslagen ist der Auslagentatbestand Nr. 9003 Nr. 1 GKG-KostVerz. Danach beträgt die Pauschale für die Versendung von Akten auf Antrag 12,00 EUR. Die Voraussetzungen für den Ansatz dieser Pauschale werden durch die vom AG Chemnitz an den Beschwerdeführer erfolgte Aktenübersendung indessen nicht erfüllt.
Insoweit ist die Auslagenpauschale einerseits nicht durch die tatsächlich erfolgte Übersendung mittels eines Zustelldienstes entstanden, weil es dahingehend bereits an einem entsprechenden Antrag des Beschwerdeführers mangelt. Dieser hatte nämlich ausdrücklich die Übergabe der Akten nebst Beiakten an sein Postfach beim LG Chemnitz beantragt.
Andererseits kann die Entstehung der Auslagenpauschale aber auch nicht aus dem tatsächlich gestellten Antrag abgeleitet werden, weil die Einlegung der Akten ins Gerichtsfach eines Rechtsanwalts am Ort der aktenführenden Stelle keine Aktenversendung darstellt und einer solchen insoweit auch nicht gleichsteht.
Die Frage, ob die Auslagenpauschale gem. § 3 Abs. 2 GKG, Nr. 9003 Nr. 1 GKG-KostVerz. auch dann anfällt, wenn die Akte ins Gerichtsfach des Rechtsanwalts eingelegt wird, ist umstritten.
Die in Rspr. und Lit. h.M. vertritt die Auffassung, dass die Auslagenpauschale beim Einlegen der Akte ins Gerichtsfach nicht anfällt. Dies soll selbst dann gelten, wenn sich – wie hier – Akten führende Stelle und Gerichtsfach des Rechtsanwalts nicht unmittelbar im gleichen Gebäude befinden (vgl. LAG Schleswig-Holstein NJW 2007, 2510; VG Meiningen JurBüro 2006, 36; LG Detmold NJW 1995, 2801; LG Göttingen AnwBl 1995, 570; AG Düsseldorf JurBüro 1997, 433; Hartmann, KostG, 37. Aufl., Nr. 9003 GKG-KostVerz. Rn 2; Notthoff, AnwBl 1995, 538; Enders, JurBüro 1997, 393). Begründet wird dies insbesondere mit dem aus den Gesetzesmaterialien abgeleiteten Willen des Gesetzgebers, dass nur für eine Versendung auf Antrag in die Kanzlei als "besondere Serviceleistung" eine Aufwendungspauschale für Verpackungs- und Transportkosten zu erheben sei.
Eine Mindermeinung bejaht demgegenüber das Anfallen der Auslagenpauschale auch im Fall der Einlegung der Akten ins Gerichtsfach des Rechtsanwalts (vgl. AG Chemnitz, Beschl. v. 23.3.2005–12 Ds 740 Js 45233/04; Beschl. v. 28.2.200...