Anmerkung

I. Zu Leitsatz 1

Die Entscheidung ist insoweit zutreffend. Schließen die Parteien einen Vergleich oder eine Einigung, in die sie auch weitere nicht anhängige Gegenstände einbeziehen, erstreckt sich eine bislang bewilligte Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe nicht ohne Weiteres auf den Mehrwert. Es bedarf grundsätzlich einer Erstreckung durch gesonderten Beschluss. Daher ist unbedingt darauf zu achten, dass vor Abschluss des Vergleichs beantragt wird, die in der Hauptsache bewilligte Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe auf den Mehrwert des Vergleichs zu erstrecken.

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt nur in Ehesachen nach § 48 Abs. 3 RVG. Ist der Anwalt in der Ehesache beigeordnet worden, dann erstreckt sich die bewilligte Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe – ohne dass es eines weiteren Beschlusses bedarf – auch auf eine Einigung, die

  den gegenseitigen Unterhalt der Ehegatten,
  den Unterhalt gegenüber den Kindern im Verhältnis der Ehegatten zueinander,
  die Sorge für die Person der gemeinschaftlichen minderjährigen Kinder,
  die Regelung des Umgangs mit einem Kind,
  die Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung und den Haushaltsgegenständen oder
  die Ansprüche aus dem ehelichen Güterrecht

betrifft.

Diese Regelung gilt aber ausschließlich für Ehesachen und ist auf sonstige Familiensachen nicht übertragbar. Insbesondere kann sie nicht auf eine Kindschaftssache übertragen werden, mit der Folge, dass eine Einigung über weitere Kindschaftssachen ebenfalls von der Verfahrenskostenhilfe gedeckt sei.

Auch in der Ehesache ist die Erstreckungswirkung des § 48 Abs. 3 RVG auf die ausdrücklich aufgeführten Fälle beschränkt. Es handelt sich im Wesentlichen um mögliche Folgesachen. Gedeckt sind aber auch Einigungen über die betreffenden Gegenstände, wenn sie nicht Folgesache sein könnten. So ist z.B. auch eine Einigung über den Trennungsunterhalt noch von § 48 Abs. 3 RVG gedeckt.

Einigungen mit Mehrwert über sonstige Gegenstände, etwa Gesamtschuldnerausgleich, steuerliche Veranlagung, Verteilung des Steuerrückerstattungsanspruchs etc. sind dagegen auch hier nicht gedeckt. Auch insoweit bedarf es dann in der Ehesache eines erweiternden Bewilligungs- und Beiordnungsbeschlusses.

II. Zu Leitsatz 2

Insoweit halte ich die Entscheidung für unzutreffend. Der Mehrwert des Vergleichs fällt nicht vom Himmel, sondern wird grundsätzlich zwischen den Beteiligten im Termin ausgehandelt, so dass auch die Terminsgebühr entsteht. Abgesehen davon entsteht die Terminsgebühr – auch für nicht anhängige Gegenstände – immer mit Abschluss eines schriftlichen Vergleichs (Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV).

Die Terminsgebühr aus der Verfahrenskostenhilfebewilligung auszuschließen widerspricht der Intention des Gesetzgebers. Durch den Abschluss eines Vergleichs über nicht anhängige Gegenstände soll – auch für den Anwalt – ein Anreiz geschaffen werden, gerichtliche Verfahren zu vermeiden.

Versetzen wir uns einmal in die Lage des Prozessbevollmächtigten im Fall des KG bzw. in dem zugrunde liegenden Verfahren vor dem FamG. Dieser hätte seiner Partei eröffnen müssen, dass über das Sorgerecht ein Vergleich geschlossen werden könne und diese Kosten die Staatskasse übernähme. Solle hier auch eine Umgangsregelung getroffen werden, würde die Staatskasse nur die Verfahrens- und die Einigungsgebühr übernehmen. Den Mehrbetrag der Terminsgebühr nach den gesetzlichen Gebühren müsse die Partei dann selbst zahlen.

Alternativ muss der Anwalt die Partei natürlich darauf hinweisen, dass auch die Umgangsrechtssache zunächst einmal anhängig gemacht werden könne. Dann müsse Verfahrenskostenhilfe bewilligt werden. Werde dann ein Vergleich geschlossen, wäre auch die Terminsgebühr von der Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe gedeckt.

Der Mandant stünde also vor der Wahl, einen Vergleich mit Mehrwert zu schließen, bei dem er selbst Geld zahlen muss, das er nicht hat, oder ein gesondertes Verfahren einzuleiten, das dann zwar höhere Kosten verursachen würde, die er aber nicht bezahlen müsste.

Welche Wahl der Mandant treffen wird, dürfte klar sein.

Gerade dieses Problem hat insbesondere das OLG Köln[1] erkannt und zu Recht klargestellt, dass sich die Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe auch auf die Terminsgebühr erstreckt.

 
Praxis-Beispiel

Ebenso wie das KG verfahren zahlreiche Obergerichte. Der Anwalt sollte sich daher über die Rechtsauffassung seines Gerichts unterrichten und gegebenenfalls einen Vergleich nur dann abschließen, wenn im Bewilligungsbeschluss ausdrücklich auch die Terminsgebühr einbezogen wird. Stellt der Richter im Bewilligungsbeschluss klar, dass sich die Verfahrenskostenhilfe auch auf die Terminsgebühr erstreckt, ist der Festsetzungsbeamte später daran gebunden.

[1] AGS 2007, 547 = FamRZ 2008, 707 = OLGR 2008, 367 = NJW-Spezial 2007, 523.

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