BGB § 823 Abs. 1 VV RVG Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 RVG §§ 15a, 17 Nr. 4 Buchst b)
Leitsatz
Zur Berechnung eines Schadensersatzanspruchs des Geschädigten auf Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren, wenn der Schädiger die in einem anschließenden, denselben Gegenstand betreffenden einstweiligen Verfügungsverfahren angefallene Verfahrensgebühr bereits ausgeglichen hat.
BGH, Urt. v. 22.3.2011 – VI ZR 63/10
1 Sachverhalt
Der Kläger macht gegen die Beklagte die Erstattung restlichen Anwaltshonorars geltend.
Am 26.3.2008 erschien in der Printausgabe und in dem Online-Angebot der von der Beklagten verlegten taz ein Artikel, der aus Sicht des Klägers drei unwahre Tatsachenbehauptungen über seine Organisation enthielt. Der Kläger beauftragte daher am 27.3.2008 seinen Rechtsanwalt und späteren instanzgerichtlichen Prozessbevollmächtigten mit der Geltendmachung von Unterlassungs-, Gegendarstellungs- und Richtigstellungsansprüchen bezüglich dieser drei Behauptungen. Mit Schreiben vom 1.4.2008 übermittelte der Anwalt des Klägers der Beklagten eine entsprechende, auf den 31.3.2008 datierte Gegendarstellung zu den drei beanstandeten Behauptungen und forderte die Beklagte auf, diese bis 4.4.2008 zu veröffentlichen und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Die Beklagte veröffentlichte bereits am 1.4.2008 in der Online-Ausgabe und am 3.4.2008 in der Printausgabe ihrer Zeitung eine "Berichtigung", in der ihre ursprüngliche Berichterstattung vom 26.3.2008 in zwei der drei strittigen Punkte richtiggestellt wurde. Daraufhin leitete der Anwalt des Klägers mit Schreiben vom 10.4.2008 der Beklagten ein erneutes Gegendarstellungsverlangen hinsichtlich der einen verbliebenen Behauptung zu mit der Aufforderung zur Veröffentlichung. Nach Weigerung der Beklagten erwirkte der Kläger beim LG Berlin eine einstweilige Verfügung, durch die die Beklagte zum Abdruck der Gegendarstellung verpflichtet wurde. Diese einstweilige Verfügung wurde durch rechtskräftig gewordenes Urteil des LG Berlin bestätigt. Im Kostenfestsetzungsverfahren wurde diesbezüglich eine 1,3-fache Verfahrensgebühr aus einem Streitwert von 12.000,00 EUR festgesetzt.
Daneben erwirkte der Kläger beim LG München I eine einstweilige Verfügung, durch die der Beklagten eine Wiederholung der verbliebenen Behauptung untersagt wurde. Im dortigen Kostenfestsetzungsverfahren wurde eine 1,3-fache Verfahrensgebühr aus einem Streitwert von 8.000,00 EUR festgesetzt. Mit Schreiben vom 30.5.2008 und 9.7.2008 forderte der Anwalt des Klägers die Beklagte auf, die einstweilige Verfügung des LG München I als endgültige Regelung anzuerkennen. Die Beklagte kam dieser Forderung mit (Abschluss-)Schreiben vom 17.7.2008 nach.
Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger im Wege des Schadensersatzes die Erstattung von Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von insgesamt 3.668,76 EUR geltend. Eine entsprechende Rechnungsstellung an den Kläger ist bisher noch nicht erfolgt. Das AG hat der ursprünglichen Zahlungsklage zunächst im Wege eines Teilversäumnisurteils in Höhe von 2.831,24 EUR stattgegeben und sie im Übrigen im Wege eines Endurteils abgewiesen. Auf den Einspruch der Beklagten hat es das Teilversäumnisurteil aufrechterhalten. Auf die Berufung beider Parteien hat das LG die Endurteile des AG abgeändert und die Beklagte verurteilt, den Kläger von Honoraransprüchen seines Rechtsanwalts in Höhe von 1.812,54 EUR freizustellen. Im Übrigen hat es die Berufungen zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Freistellungsbegehren in Höhe von weiteren 1.060,30 EUR und die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren in vollem Umfang weiter.
2 Aus den Gründen
I. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Kläger könne – solange sein Anwalt den Vergütungsanspruch noch nicht in Rechnung gestellt habe – diesen Anspruch nicht im Wege einer Zahlungsklage, sondern im Hinblick auf § 10 Abs. 1 S. 1 RVG lediglich im Wege einer Freistellungsklage geltend machen. Was die Berechnung der Anwaltsgebühren anbelangt, hat das Berufungsgericht das Tätigwerden des Klägervertreters im Zusammenhang mit der (dreigliedrigen) Gegendarstellung vom 31.3.2008, der (eingliedrigen) Gegendarstellung vom 10.4.2008 und dem Unterlassungsbegehren als dieselbe Angelegenheit i.S.v. § 15 Abs. 2 S. 1 RVG behandelt, deren Wert sich aus den einzelnen Gegenstandswerten für die dreigliedrige Gegendarstellung in Höhe von 25.000,00 EUR, die eingliedrige Gegendarstellung in Höhe von 12.000,00 EUR und die Abmahnung in Bezug auf die (dreigliedrige) Unterlassungsverpflichtung in Höhe von 25.000,00 EUR zusammensetze. Aus dem sich hieraus errechnenden Gegenstandswert in Höhe von insgesamt 62.000,00 EUR ergebe sich eine 1,3-fache Geschäftsgebühr in Höhe von 1.459,90 EUR. Zusammen mit einer Auslagenpauschale in Höhe von 20,00 EUR und der Umsatzsteuer in Höhe von 281,18 EUR errechne sich ein Betrag von insgesamt 1.761,08 EUR. Auf diese Gebühr seien die in den einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem Landgericht Berlin und dem LG München I festgesetzten...