RVG § 15a Abs. 1 RVG VV Nrn. 2400, 2401 SGB X § 63 Abs. 1
Leitsatz
- Ist der Rechtsanwalt im Überprüfungsverfahren vorbefasst, richten sich seine Gebühren im Widerspruchsverfahren nach Nr. 2401 VV.
- § 15a RVG ist bei Betragsrahmengebühren weder direkt noch analog anwendbar.
SG Chemnitz, Urt. v. 5.1.2011 – S 3 AS 5094/10
1 Sachverhalt
Die Klägerin hatte durch ihren späteren Prozessbevollmächtigten einen Überprüfungsantrag stellen lassen. Gegen die Zurückweisung des Überprüfungsantrages legte die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten Widerspruch ein. Die Beklagte half dem Widerspruch vollständig ab und erklärte sich bereit, die notwendigen Kosten im Widerspruchsverfahren zu erstatten. Daraufhin beantragte die Klägerin die Festsetzung einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV i.H.v. 240,00 EUR (netto). Die Beklagte setzte mit Kostenfestsetzungsbescheid lediglich eine Geschäftsgebühr i.H.v. 120,00 EUR fest und stützte diese Festsetzung auf Nr. 2401 VV. Die Klägerin erhob daraufhin Klage und vertrat weiterhin die Auffassung, die Festsetzung habe nach der Nr. 2400 VV zu erfolgen. Das SG hat die Klage zunächst durch Gerichtsbescheid abgewiesen. Hiergegen beantragte die Klägerin mündliche Verhandlung. Sie trägt im Wesentlichen vor, dass § 15a RVG nicht beachtet sei und die Anwendung von Nr. 2401 VV zu einer nicht gerechtfertigten Benachteiligung unbemittelter Kläger führen würde. Das SG hat die Klage auch nach mündlicher Verhandlung abgewiesen.
2 Aus den Gründen
Der Kostenfestsetzungsbescheid der Beklagten in Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen höheren Erstattungsanspruch gem. § 63 Abs. 1 SGB X, da die Beklagte die Verfahrensgebühr zutreffend nach Nr. 2401 VV und nicht nach Nr. 2400 VV festgesetzt hat.
1. Die Bestimmung der Gebühr richtet sich nach Nr. 2401 VV.
Nr. 2401 VV hat folgenden Wortlaut:
Zitat
Es ist eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren oder im Beschwerdeverfahren nach der WBO vorausgegangen:
Die Gebühr 2400 für das weitere, der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienende Verfahren oder für das Verfahren der weiteren Beschwerde nach der WBO beträgt 40,00 bis 260,00 EUR
(1) Bei der Bemessung der Gebühr ist nicht zu berücksichtigen, dass der Umfang der Tätigkeit infolge der Tätigkeit im Verwaltungsverfahren oder im Beschwerdeverfahren nach der WBO geringer ist.
(2) Eine Gebühr von mehr als 120,00 EUR kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war.“
Nach der ausdrücklichen und eindeutigen Rspr. des BSG zum Konkurrenzverhältnis zwischen Nr. 2500 und 2501 VV a.F. ist die den verminderten Gebührenrahmen zusprechende Nr. 2501 des VV im Rahmen des § 63 Abs. 1 SGB X anzuwenden, sofern der Bevollmächtigte bereits im vorangegangenen Verwaltungsverfahren eingeschaltet war (BSG, Urt. v. 25.2.2010 – B 11 AL 24/08 R, Rn 23 ff. [= AGS 2010, 434]).
Die zu Nr. 2500 und 2501 VV a.F. entwickelten Grundsätze sind auf die inhaltsgleichen Vorschriften nach der Neufassung anzuwenden, die nunmehr in Nr. 2400 und 2401 VV kodifiziert sind.
Im vorliegenden Fall hat die Klägerin unmittelbar durch ihren Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 14.1.2009 den Überprüfungsantrag stellen lassen. Der Prozessbevollmächtigte war somit bereits im Verwaltungsverfahren tätig, so dass Nr. 2401 VV Anwendung findet, wonach die Schwellengebühr 120,00 EUR beträgt.
Diese Schwellengebühr hat die Beklagte im Kostenfestsetzungsbescheid korrekt festgesetzt. Auch die Klägerin begehrt lediglich die Schwellengebühr; wenn auch nach einer anderen Gebührenziffer.
2. § 15a RVG ist weder direkt noch indirekt anwendbar. Soweit die Klägerseite vorbringt, der Anwendung von Nr. 2401 VV stünde der mit Wirkung vom 5.8.2009 eingefügte § 15a RVG entgegen, kann sie mit diesem Argument nicht durchdringen.
a) Gem. § 15a Abs. 1 RVG setzt die Anwendung dieser Norm voraus, dass das Gesetz die Anrechnung einer Gebühr auf eine andere Gebühr vorsieht.
Die Vorschrift setzt somit einen gesetzlichen Anrechnungstatbestand voraus. Ein solcher findet sich beispielsweise in Vorbem. 3 Abs. 4 VV.
Im vorliegenden Fall enthält Nr. 2401 VV gerade keinen Anrechnungstatbestand, da das Wort "Anrechnung" im Gesetzestext nicht vorkommt. Auch systematisch handelt es sich nicht um eine Anrechnung. Vielmehr geht es allein um die Entscheidung, welche Gebührenziffer einschlägig ist. Die Frage, welche Gebührenziffer des RVG einschlägig ist, wird von § 15a RVG nicht beeinflusst.
b) Auch eine analoge Anwendung des § 15a RVG auf Sondergebührentatbestände wie Nr. 2401 VV kommt nicht in Betracht. Es fehlt insoweit bereits an einer planwidrigen Regelungslücke. Der Gesetzgeber wollte mit der Neuregelung in § 15a RVG ausdrücklich nur den Begriff der Anrechnung definieren, um unerwünschte Auswirkungen der Anrechnung zu vermeiden (BT-Drucks 16/12717, S. 2 u. S. 58). Dass eine entsprechende Regelung für die Sondergebührentatbestände im Sozialrecht fehlt, kann daher nicht als planwidrig angesehen werden (so auch SG Berlin, Beschl. v. 26.7.2010, S 180 SF 170...