RVG VV Nrn. 4102 Nr. 3, 4103 StPO § 230 Abs. 2

Leitsatz

Nimmt der Verteidiger an einem Termin zur Verkündung eines Haftbefehls nach § 230 Abs. 2 StPO teil, erhält er auch eine Terminsgebühr.

LG Berlin, Beschl. v. 8.11.2010 – 524 – 58/09, (524) 70 Js 862/08 KLs (58/09)

1 Aus den Gründen

Streitig ist hier, ob dem Verteidiger eine Gebühr nach den Nrn. 4102, 4103 VV für die Teilnahme am Termin vom 6.7.2010 zusteht. Dabei ist von folgendem Sachverhalt auszugehen: In der Sache war am 4.5.2010 Hauptverhandlungstermin anberaumt, zu dem der Angeklagte nicht erschien. Sein Verteidiger erklärte, dass er über Dritte informiert worden sei, dass sich der Angeklagte aus geschäftlichen Gründen in Belgien aufhalten würde. Die Kammer erließ daraufhin einen Haftbefehl gem. § 230 Abs. 2 StPO. Der Angeklagte wurde bei seiner Einreise nach Berlin am 5.7.2010 festgenommen. Am 6.7.2010 verkündete ihm die Kammer in Gegenwart des Verteidigers den Haftbefehl. Dabei wurde der Haftbefehl nicht nur verlesen. Vielmehr wurde der Angeklagte auch befragt, warum er der Hauptverhandlung ferngeblieben sei. Er berichtete, dass er sich geschäftlich im Ausland aufgehalten habe, dann vom Tod seiner Großmutter gehört habe und daraufhin vorübergehend nach Afrika gereist sei. Der Vorsitzende machte auf entsprechende Nachfrage des Verteidigers deutlich, dass auch in diesem Vorbringen keine ausreichende Erklärung für das Fehlen am 4.5.2010 zu sehen sei und ein Antrag auf Aufhebung des Haftbefehls oder Haftverschonung keine Erfolgsaussichten habe. Da bekannt war, dass der Angeklagte psychotisch erkrankt war, wurde auch sein Gesundheitszustand erörtert. Der Verteidiger teilte in diesem Zusammenhang mit, dass der Angeklagte seine Medikamente abgesetzt habe und seither wieder Stimmen hören würde. Das Aufnahmeersuchen enthält deshalb auch den ausdrücklichen Hinweis, dass der Angeklagte dem Haftkrankenhaus vorzustellen sei.

Nach dem vorgetragenen Sachverhalt liegt hier ein Verhandeln zur Sache vor, das die Gebühr der Nr. 4102 Nr. 3 VV auslöst. Die Kammer verkennt nicht, dass in den Fällen eines Haftbefehls nach § 230 Abs. 2 StPO bei dessen Verkündung eine Verhandlung zur Sache in der Regel sehr nahe liegt: Denn in diesen Fällen muss regelmäßig überprüft werden, ob der Angeklagte tatsächlich unentschuldigt der Hauptverhandlung ferngeblieben ist. Anders als in den Fällen der Haftanordnung nach §§ 112 ff. StPO, in denen sich die Haftgründe in der Regel aus der Aktenlage ergeben, ist dies bei dem Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO nicht der Fall: Denn hier stellt sich nach Aktenlage die Sache zunächst nur so dar, dass der Angeklagte ohne weitere Erklärung der Hauptverhandlung ferngeblieben ist, so dass sich auf entsprechende Rückfragen neue, ihn entlastende Aspekte ergeben können.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?