Leitsatz
Auch soweit ein Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG die Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG betrifft, richtet sich die Vergütung des im Weg der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts nach VV Nr. 3100 und nicht nach Nr. 4204 VV.
OLG Zweibrücken, Beschl. v. 29.9.2010 – 1 VAs 1/10
1 Sachverhalt
Das OLG hatte auf Antrag des Verurteilten die Vollstreckung einer gegen diesen verhängten Freiheitsstrafe nach § 35 BtMG zur Durchführung einer Suchtbehandlung zurückgestellt. Der Geschäftswert wurde auf 3.000,00 EUR festgesetzt. Zudem wurde dem Verurteilten Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des ihn vertretenden Rechtsanwalts bewilligt. Auf den Antrag des Rechtsanwalts hat die Kostenbeamtin des OLG durch den angefochtenen Beschl. v. 13.8.2010 gem. § 55 RVG eine aus der Landeskasse zu gewährende Vergütung von 316,18 EUR festgesetzt; dabei wurde der Gebührentatbestand nach Nr. 3100 VV zugrunde gelegt. Hiergegen richtet sich die Erinnerung des Landeskasse; es wird geltend gemacht, in Anwendung der Nr. 4204 des VV sei nur eine Vergütung von 152,32 EUR zu gewähren. Die Kostenbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen.
2 Aus den Gründen
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Erinnerung, über die der Senat gem. §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 8 RVG als Kollegium statt durch den Einzelrichter entscheidet, bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Senat pflichtet der Auffassung der Kostenbeamtin im Ergebnis bei. Allerdings weist der Vertreter der Staatskasse zutreffend darauf hin, dass in Teil 4 Abschnitt 2 VV (Nrn. 4200 bis 4207 VV) ausdrücklich die "Gebühren in der Strafvollstreckung" geregelt sind. Zu dieser werden allgemein auch die Verfahren nach § 35 BtMG gerechnet (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl., VV 4200-4700 Rn 4; Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 2. Aufl., VV Nr. 4202 Rn 2, 11), wie sich unmittelbar aus der Überschrift ("Zurückstellung der Strafvollstreckung") und dem weiteren Wortlaut der Vorschrift bestätigt.
Auf der anderen Seite besteht Einigkeit darüber, dass für die Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG der Teil 3 VV Anwendung findet, hier insbesondere die Nr. 3100 VV (Gerold/Schmidt a.a.O., VV Einl. Teil 4 Rn 5, Burhoff a.a.O., Teil B., Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz..., Rn 4).
Obwohl die Nr. 4202 VV auf den ersten Blick als die speziellere Regelung erscheint, lösen sich diese gegenläufigen Grundsätze nach Auffassung des Senats dahin, dass es auch für solche Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG, die die Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG betreffen, bei der Vergütung nach Teil 3 VV verbleibt. Hierfür mag auch angeführt werden, dass – wie § 30 Abs. 3 EGGVG ergibt – in diesen Verfahren stets ein Geschäftswert festzusetzen ist, was für die Abrechnung nach Nr. 4204 VV nicht erforderlich wäre. Zwar wird auch die Gerichtsgebühr nach § 30 Abs. 1 EGGVG, §§ 130, 32 KostO nach dem Geschäftswert berechnet. Eine solche fällt aber nicht an, wenn – wie hier – der Antrag Erfolg hat.
Der Senat stimmt auch der Auffassung der Kostenbeamtin zu, wonach die Position Nr. 4204 VV nur die Tätigkeit des Rechtsanwalts gegenüber der Staatsanwaltschaft betrifft, während die weitergehenden Gebühren dann anfallen, wenn die Sache zu einem Verfahren nach § 23 EGGVG fortschreitet. Dieses passt auch von seiner Struktur her zu den Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz, die ausdrücklich dem Teil 3 VV zugewiesen sind. Letztlich ist auch nicht zu übersehen, dass das VV bestimmte Verfahren der Strafvollstreckung gebührenmäßig hervorhebt (Nr. 4200 VV). Es hätte nahegelegen, solche Bestimmungen auch für ein Verfahren nach §§ 23 EGGVG vorzusehen, soweit es überhaupt von Teil 4 VV erfasst wäre.