ZPO § 91 RVG § 15
Leitsatz
Nimmt ein Antragsteller zwei konzernrechtlich verbundene Unternehmen wegen einer identischen Berichterstattung in getrennten Verfügungsverfahren auf Abdruck einer Gegendarstellung in Anspruch, kann das Verlangen nach Erstattung der anwaltlichen Mehrkosten infolge der getrennten Anspruchsverfolgung ebenso wie bei Unterlassungsansprüchen rechtsmissbräuchlich sein.
OLG Hamburg, Beschl. v. 29.5.2013 – 8 W 130/12
1 Sachverhalt
Der Antragsteller begehrt Abänderung eines Kostenfestsetzungsbeschlusses.
Der Antragsteller nahm die Antragsgegnerin, ein Medienunternehmen der S.-Gruppe, vor dem LG im Wege der einstweiligen Verfügung auf Abdruck einer Gegendarstellung wegen eines über ihn am 7.11.2011 auf der Homepage "www.S.de" erschienenen Artikels in Anspruch. Zeitgleich führte er vor demselben Gericht ein weiteres selbstständiges Verfügungsverfahren gegen die ebenfalls zur Spiegel-Gruppe gehörende M. GmbH auf Abdruck einer gleichlautenden Gegendarstellung wegen einer nahezu identischen Publikation vom 7.11.2011 auf der Homepage "www.M.de" durch. In der am 3.2.2012 für beide Verfahren auf Wunsch des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers zusammen durchgeführten mündlichen Verhandlung schlossen die beteiligten Parteien einen Vergleich, der die Verpflichtung der Antragsgegnerin sowie der GmbH zum jeweiligen Abdruck der begehrten Gegendarstellungen vorsah. Zugleich verpflichteten sich beide Antragsgegnerinnen, die Kosten des jeweiligen Rechtsstreits zu tragen.
Der Antragsteller hat in beiden Verfahren Kostenfestsetzungsanträge gestellt. Dabei hat er jeweils unter Zugrundelegung eines Einzelstreitwerts von 10.000,00 EUR für jedes Verfahren Festsetzung von Kosten i.H.v. insgesamt 1.480,10 EUR brutto beantragt. Der Summe zugrunde gelegt wurde eine 1,3-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 VV i.H.v. 631,80 EUR netto, eine 1,2-Terminsgebühr gem. Nr. 3104 VV i.H.v. 583,20 EUR netto, eine Post- und Telekommunikationspauschale gem. Nr. 7002 VV i.H.v. 20,00 EUR netto sowie Gerichtsvollzieherkosten i.H.v. 10,45 EUR brutto.
Abweichend hiervon hat das LG für beide Verfahren Kosten i.H.v. jeweils 983,28 EUR brutto festgesetzt. Es hat die Gebühren für beide Verfahren zusammen anhand des Gesamtstreitwertes i.H.v. 20.000,00 EUR errechnet und die so ermittelten Gebühren hälftig auf die beiden Verfahren verteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass sich der Antragsteller nach der Rspr. des BGH kostenrechtlich so behandeln lassen müsse, als hätte er die Ansprüche aus beiden Verfahren in einem Verfahren geltend gemacht. Denn mit der Durchführung eines einheitlichen Verfahrens hätte er die Kosten des gesamten Rechtsstreits geringer halten können. Daher seien die Streitwerte gem. § 15 Abs. 2 RVG zu addieren. Den auf beide Verfahren zu verteilenden Gesamtbetrag hat das LG errechnet aus einer 1,3-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 VV i.H.v. 839,80 EUR netto, einer 1,2-Terminsgebühr gem. Nr. 3104 VV i.H.v. 775,20 EUR netto, einer Post- und Telekommunikationspauschale gem. Nr. 7002 VV i.H.v. 20,00 EUR netto sowie Gerichtsvollzieherkosten i.H.v. 20,90 EUR brutto.
Mit der gegen diesen Beschluss eingelegten sofortigen Beschwerde wendet der Antragsteller ein, dass die Rspr. des BGH auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar sei. Diese beziehe sich auf Unterlassungsansprüche und könne wegen der Besonderheiten der Ansprüche auf Abdruck einer Gegendarstellung für den vorliegenden Fall keine Anwendung finden. Zudem sei zu berücksichtigen, dass es sich bei den Antragsgegnerinnen der beiden Verfahren um eigenständige juristische Personen handele und die Veröffentlichungen in eigenständigen Publikationen erfolgt seien. Auch müsse beachtet werden, dass sich die Antragsgegnerin im Rahmen des Prozessvergleichs dazu verpflichtet habe, die Kosten des Verfahrens nach dem jeweiligen Aktenzeichen und Streitwert zu übernehmen. Im Übrigen sei die Berechnung willkürlich, da die angefallenen Gerichtsgebühren wiederum nicht nach einem einheitlichen Gegenstandswert berechnet worden seien.
Das LG hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache zur weiteren Entscheidung dem OLG vorgelegt.
Die sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
Das LG hat die Kosten zutreffend festgesetzt. Allerdings ist entgegen der Auffassung des LG nicht § 15 Abs. 2 S. 1 RVG als entscheidungserhebliche Norm heranzuziehen (OLG Hamburg, Beschl. v. 3.2.2011 – 4 W 47/11). Die Berechnung der Gebühren erfolgt vielmehr unter der Prämisse, dass das Verlangen des Antragstellers auf Festsetzung von der Rechtsanwaltsgebühren auf der Berechnungsgrundlage zweier unabhängiger Verfahren rechtsmissbräuchlich ist und sich der Antragsteller aus diesem Grunde gebührenrechtlich so behandeln lassen muss, als hätte er seine Ansprüche in einem einzigen Verfahren geltend gemacht. Im Ergebnis ergeben sich hieraus die erstattungsfähigen Kosten wie vom LG erkannt (und vom Antragsteller auch hilfsweise beantragt).
1. Der Senat ist der Auffassung, dass der Antragsteller nach Treu und Glauben gehalten gewesen wäre, die Rech...