Die sofortige Beschwerde hatte Erfolg, soweit der Beschuldigte die Abweisung seines Feststellungsantrags angegriffen hat. Dessen formelle und materielle Voraussetzungen waren nach Auffassung des LG nämlich gegeben. Gegen den Beschuldigten seien entschädigungspflichtige Ermittlungsmaßnahmen durchgeführt worden (§ 2 Abs. 2 Nr. 4 StrEG).
Es liege auch ein i.S.d. § 9 Abs. 1 S. 4 StrEG fristgemäßer Entschädigungsantrag vor. Entgegen der gesetzlichen Vorgabe (§ 9 Abs. 1 S. 4 StrEG: "nach Zustellung") und der eigenen Mitteilung in der der Einstellungsverfügung beigelegten Belehrung habe die Staatsanwaltschaft keine (förmliche) Zustellung, sondern lediglich eine formlose Mitteilung ihrer Einstellungsverfügung veranlasst. Die Frist des § 9 Abs. 1 S. 4 StrEG beginne allerdings erst, wenn die Einstellung (förmlich) zugestellt worden ist (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 9 StrEG, Rn 5). Daran fehle es.
Das LG folgt nicht der Auffassung des Amtsgerichts, wonach die Gewährung der Einsicht in die Akte an die Verteidiger am 21.6,2021 – in der die zuvor getroffene Einstellungsverfügung in der Urschrift enthalten war – den Zustellungsmangel nach § 37 Abs. 1 StPO mit § 189 ZPO hätte heilen können, mit der Folge, dass die Monatsfrist bereits am 21.7.2021 abgelaufen gewesen wäre (s. auch wie hier BGH, Beschl. v. 19.6.2019 – IV ZR 224/18; BayObLG NJW 2004, 3722; OLG Nürnberg, Urt. v. 1.8.2019 – 13 U 1667/17 und Urt. v. 5.11.1981 – 8 U 351/81, MDR 1982, 238; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 21.3.2019 – 1 OWi 2 Ss Rs 76/18; Zöller/Schultzky, ZPO, 33. Aufl., § 189 Rn 4; MüKo ZPO/Häublein/Müller, 6. Aufl., § 189 Rn 13). Sähe man es anders, wäre der Verteidiger i.Ü. aus Gründen anwaltlicher Vorsicht genötigt, die komplette Akte durchzusehen um festzustellen, ob sich dort zuzustellende Dokumente finden. Der Sinn der Akteneinsicht liege aber nicht darin, Haftungsfallen für den Anwalt aufzustellen, sondern allein darin, ihm die Information zu gewähren, die er braucht. Nichts anderes folge aus dem Beschluss des OLG Hamm vom 8.8.2017 (3 RBs 106/17, DAR 2017, 642). Das OLG habe erwogen, dass durch die Einsichtnahme des Verteidigers in die Bußgeldakte, in der sich der zuzustellende Bußgeldbescheid befindet, ein tatsächlicher oder nachweisbarer Zugang i.S.d. Heilungsvorschriften bewirkt werden kann, sofern zuvor ein auf eine förmliche Zustellung gerichteter Zustellungswille dokumentiert ist. Ob dem zu folgen sei, könne dahinstehen, denn an der genannten Voraussetzung fehle es bereits: Die Staatsanwaltschaft habe ihre Einstellungsverfügung gerade formlos versenden wollen, sodass der Zustellungswille fehle.
Die Heilung des Zustellungsmangels sei somit erst mit dem tatsächlichen Zugang der Einstellungsverfügung beim Verteidiger eingetreten (§ 37 Abs. 1 StPO mit § 189 ZPO). Dieser gebe den Zeitpunkt ihres Zugangs in der Beschwerde mit dem 28.6.2021 an. Das sei nicht zu widerlegen. Der am 28.7.2021 beim Amtsgericht eingegangene Entschädigungsantrag erfolgte somit in der Monatsfrist.