Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen für die Heilung eines Zustellungsmangels nach § 189 ZPO
Normenkette
ZPO §§ 189, 295, 296 Abs. 1, 4, § 530
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg vom 27.11.2018 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Berufung, an das Landgericht zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Wert des Berufungsverfahrens beträgt 327.462,05 EUR.
Gründe
I. Der Kläger nimmt das beklagte Land auf eine Entschädigung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) in Anspruch.
Im Jahr 2011 war der Kläger für 62 Tage in Untersuchungshaft, bis er unter Auflagen von der Haft verschont wurde. Nach Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens wurde nach § 8 StrEG rechtskräftig festgestellt, dass die Staatskasse ihn für die erlittene Untersuchungshaft, für die ihm bei der Haftverschonung erteilten Auflagen sowie für eine Durchsuchung seines Wohnhauses zu entschädigen habe. Der Kläger meldete einen Entschädigungsanspruch in Höhe von 1.533.222,33 EUR an.
Mit Schreiben vom 22.03.2017 teilte der Generalstaatsanwalt mit, der geltend gemachte Anspruch werde "nach Prüfung der Sach- und Rechtslage" wegen der Haftentschädigung und der Kaution in der hierfür jeweils geltend gemachten Höhe anerkannt. Der Anspruch auf Verdienstausfall werde nur für die Zeit bis zur Haftverschonung anerkannt, und auch dies nur "dem Grunde nach"; wegen der Höhe müsse der Kläger noch eine nachvollziehbare Berechnung vorlegen. Die weiteren Ansprüche würden aus bestimmten, in dem Schreiben näher ausgeführten Gründen abgelehnt. Am Ende des Schreibens schlug der Generalstaatsanwalt dem Kläger dann vor, die Anwaltsgebühren für die Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs erst "nach Abschluss des Entschädigungsverfahrens" abzurechnen. Dieses Schreiben wurde aufgrund einer entsprechenden Verfügung des Sachbearbeiters des Generalstaatsanwalts formlos an die Klägervertreterin übersandt; es ging ihr am 29.03.2017 zu.
Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 07.06.2017 ergänzend Stellung genommen und auch weitere Belege eingereicht hatte, erkannte der Generalstaatsanwalt unter dem 17.08.2017 den Verdienstausfall für den zuvor schon dem Grunde nach anerkannten Zeitraum in Höhe von gut 16.000,00 EUR an. Am Ende dieses Schreibens heißt es: "Die weiteren Ansprüche werden abgelehnt". Dieses Schreiben ist dem Kläger gegen Empfangsbekenntnis am 22.08.2017 förmlich zugestellt worden.
Am 22.11.2017 reichte der Kläger eine Klage auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 326.012,05 EUR ein. Er hat gemeint, dass er hiermit die Dreimonatsfrist nach § 13 Abs. 1 S.2 StrEG gewahrt habe.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil die Dreimonatsfrist des § 13 Abs. 1 S. 2 StrEG schon mit Zugang des Schreibens vom 22.03.2017 am 29.03.2017 in Gang gesetzt worden sei, bei Eingang der Klage am 22.11.2017 also abgelaufen gewesen sei. Denn schon das Schreiben vom 22.03.2017 habe die ablehnende Entscheidung über den Entschädigungsanspruch i.S.d. § 13 Abs. 1 S.1 StrEG enthalten. Dass dieses Schreiben nicht förmlich zugestellt worden sei, sei ohne Belang, denn nach § 189 ZPO werde eine Zustellung am Tag des tatsächlichen Zugangs fingiert.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er rügt, dass das Landgericht ein Urteil verkündet habe, obwohl die mündliche Verhandlung lediglich unterbrochen, aber nicht geschlossen worden sei. Er habe im Verhandlungstermin die Sachanträge aus der Klageschrift nicht gestellt. Er ist der Ansicht, dass das Fehlen einer Rechtsbehelfsbelehrung in dem Schreiben vom 22.03.2017 dazu führe, dass die Frist nach § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG nicht in Gang gesetzt worden sei. Die Verpflichtung zur Erteilung einer Rechtsbehelfsbelehrung ergebe sich aus den Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren. Üblicherweise enthielten Bescheide nach dem StrEG Rechtsbehelfsbelehrungen. Zudem handele es sich bei dem Schreiben vom 22.03.2017 nicht um eine abschließende Entscheidung. Sie sei nicht hinreichend bestimmt und enthalte keinen Tenor. Auch die Nachforderung von Unterlagen spreche für einen Zwischenbescheid.
Der Kläger beantragt,
1. im Falle einer eigenen Sachentscheidung des Berufungsgerichts das am 27.11.2018 verkündete Urteil des Landgerichts abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 326.012,05 EUR nebst Zinsen von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
2. hilfsweise das Urteil des Landgerichts aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.
Das beklagte Land beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das beklagte Land ist der Auffassung, dass eine Rechtsbehelfsbelehrung nach dem StrEG nicht erforderlich sei. Die Regelung des § 232 ZPO gelte nur für geri...