Eine Entscheidung, die auch nur Richter treffen können, die jeden Monat ihre nicht gerade geringe Besoldung aus der Staatskasse erhalten. Deshalb können Richter kaum ermessen, dass ein Rechtsanwalt, der – anders als ein Richter – noch aus seinen Einnahmen ein Büro mit meist mehreren Angestellten finanzieren muss, auf den zügigen Eingang der ihm zustehenden Vergütung angewiesen ist. Dies gilt insbesondere für Rechtsanwälte, die einem Beteiligten im Wege der PKH oder VKH beigeordnet worden sind. Da hilft auch der Hinweis nicht weiter, dass die im Wege der PKH oder VKH beigeordneten Rechtsanwälte mit dem Staat zwar einen möglicherweise säumigen, aber letztlich solventen Schuldner haben. Denn der Rechtsanwalt, der seine regelmäßigen Ausgaben hat, kann sich letztlich nichts davon kaufen, dass er die ihm aus der Staatskasse zustehende Vergütung irgendwann einmal erhält.
Eine Vorbereitungs- und Bedenkzeit von 12 Monaten für die Erledigung eines Erinnerungsverfahrens nach § 56 RVG scheint mir sehr lang zu sein. Dies gilt umso mehr, als das SG Berlin hier keine großen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten bei der Entscheidung über die Erinnerung des Klägers zu bewältigen hatte. Dies ergibt sich bereits daraus, dass das SG die Erinnerung des Klägers unter Verweisung auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung zurückgewiesen hat und damit keinen Anlass gesehen hat, eigene (gebühren-)rechtliche Erwägungen anzustellen. Dafür braucht ein Richter keine 12 Monate, sondern eher nur zwei Monate.
Außerdem ist es nicht einzusehen, dass die Dauer des Erinnerungsverfahrens von insgesamt 24 Monaten teilweise dadurch mit drei Monaten kompensiert worden ist, dass die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) über den Antrag auf Festsetzung der PKH-Anwaltsvergütung in einigermaßen angemessener Zeit (rund drei Monate) entschieden hat. Unabhängig davon bleiben nach der Rechnung des LSG Berlin-Brandenburg eine unangemessene Dauer des Erinnerungsverfahrens von neun Monaten. Warum der Kläger mit dem freundlichen Entschuldigungsschreiben des Präsidenten des SG Berlin angemessen entschädigt worden sein soll, leuchtet mir nicht ein. Der Zyniker könnte auf die Idee kommen, künftig sämtlichen Entscheidungen, für die das Gericht eine unangemessene Zeitdauer benötigt hat, gleich ein formalisiertes Entschuldigungsschreiben des entsprechenden Direktors/Präsidenten des Gerichts beizufügen.
Auch das Urteil des LSG Berlin-Brandenburg belegt, wie wichtig es ist, einen gesetzlich geregelten Anspruch des beigeordneten Rechtsanwalts auf Verzinsung der ihm aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung einzuführen. Dies würde indirekt zu einer beschleunigten Entscheidung über Festsetzungsanträge führen. Für sich hieran anschließende Erinnerungs- bzw. Beschwerdeverfahren gilt dies allerdings nur dann, wenn die Rechtsbehelfe des Rechtsanwalts Erfolg haben. Wird hingegen – wie es hier der Fall war – die Erinnerung des Rechtsanwalts auf Festsetzung einer weiteren Vergütung zurückgewiesen, wirkt sich der Zinsanspruch insoweit nicht aus.
VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin
AGS 9/2021, S. 422 - 426