Rechtsanwalt Norbert Schneider, Die Vergütungsvereinbarung des beigeordneten Anwalts, NJW 2021, 3286
Gem. § 3a Abs. 1 S. 1 RVG ist eine Vergütungsvereinbarung, nach der ein im Wege der Prozesskostenhilfe (PKH) – und Verfahrenskostenhilfe (VKH) – beigeordneter Rechtsanwalt für die von der Beiordnung erfasste Tätigkeit eine höhere als die gesetzliche Vergütung erhalten soll, nichtig. Hieraus folgt nach den Ausführungen des Autors im Umkehrschluss, dass der beigeordnete Anwalt mit seinem (bedürftigen) Mandanten eine Vergütungsvereinbarung bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung nach der Wahlanwaltstabelle des § 13 RVG schließen darf. Dies steht allerdings scheinbar im Widerspruch zu der verfahrensrechtlichen Regelung des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, wonach der im Wege der PKH (und VKH) beigeordnete Rechtsanwalt seine Ansprüche auf Vergütung gegen die Partei nicht geltend machen kann.
Bei dieser gesetzlichen Ausgangslage stellt sich die von dem Autor behandelte Frage, ob § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO tatsächlich etwas verbietet, was die vergütungsrechtliche Regelung in § 3a Abs. 3 S. 1 RVG erlaubt.
Zunächst gibt Schneider einen Überblick über die hierzu in der Kommentarlit. vertretenen Auffassungen. Nach der überwiegenden Auffassung der Kommentatoren soll die Vergütungsvereinbarung – bis zur Höhe der Wahlanwaltsgebühren – zwar wirksam sein, der Rechtsanwalt könne die Vergütung aber dennoch nicht fordern, solange die Sperrwirkung des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO greife. Erst wenn die Bewilligung der PKH (und VKH) aufgehoben werde, entfalle die Sperre, sodass der Rechtsanwalt die vereinbarte Vergütung durchsetzen kann. Dagegen argumentiert Schneider, dass bei einer Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Mandanten keine Aufhebung, sondern nur eine Änderung der Bewilligung der PKH in Betracht komme. Die Sperre des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO gelte folglich weiterhin. Werde hingegen – etwa wegen falscher Angaben des bedürftigen Mandanten – die PKH-Bewilligung nebst Beiordnung aufgehoben, entfalle die Sperrwirkung des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ohnehin. Der beigeordnete Rechtsanwalt könne deshalb ab diesem Zeitpunkt die gesetzliche Vergütung verlangen, sodass es eines Rückgriffs auf eine Vergütungsvereinbarung nicht bedürfe.
Ferner verweist Schneider auf eine Auffassung in der Kommentarlit., wonach der Rechtsanwalt die Vergütung behalten dürfe, wenn der Mandant freiwillig und vorbehaltlos zahle. Diese Beträge könne der Mandant dann nicht zurückfordern. Nach Auffassung Schneiders steht dies jedoch im Widerspruch zu § 3a Abs. 3 S. 2 RVG, wonach die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die ungerechtfertigte Bereicherung unberührt bleiben.
Ebenso wenig folgt Schneider in seinem Beitrag weiteren Auffassungen in der Kommentarlit., die der Autor ebenfalls nicht für überzeugend hält.
Sodann gibt Schneider in seinem Beitrag einen Überblick über die Rspr. So habe das LG Cottbus (AnwBl. 2021, 489), bestätigt durch das OLG Brandenburg (AnwBl. 2022, 370), die Auffassung vertreten, der Rechtsanwalt verstoße gegen die Forderungssperre des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, wenn er seine Ansprüche aus einer Vergütungsvereinbarung geltend mache. Demgegenüber folgert Schneider aus der Entscheidung des OLG Hamm (AGS 2018, 349), welches die Vergütungsvereinbarung des beigeordneten Rechtsanwalts als wirksam angesehen hat, dass der Anwalt diese auch durchsetzen könne.
Im Anschluss hieran gibt Schneider in seinem Beitrag einen Überblick über die Gesetzgebungsgeschichte. Er referiert die frühere Gesetzeslage in § 4 Abs. 5 S. 2 RVG und die Gesetzesmaterialien. Aus diesen folgert Schneider, dass der Gesetzgeber wohl der Auffassung gewesen sei, es ergebe sich keine Kollision zwischen § 3a Abs. 3 S. 1 RVG und § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, weil der Gesetzgeber der Meinung gewesen sei, die erstgenannte Vergütungsregelung gehe dem Verfahrensrecht vor.
Im Anschluss hieran referiert der Autor seine eigene Meinung. Er kommt zu dem Ergebnis, dass sich der scheinbare Widerspruch zwischen den beiden vorgenannten Vorschriften damit lösen könne, dass man die Sperrwirkung des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nur auf die originäre gesetzliche Vergütung beschränke, sie hingegen auf zulässiger Weise vereinbarte Vergütungen nicht anwende. Dies führt nach Auffassung Schneiders zu einem in sich stimmigen Ergebnis. Der Rechtsanwalt könne von dem bedürftigen Mandanten eine in zulässiger Weise mit diesem vereinbarte Vergütung bis zur Höhe der gesetzlichen Wahlanwaltsgebühren ungeachtet der Vorschrift des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO gegen ihn geltend machen. Dies betreffe die Differenz nach der Wahlanwaltsgebührentabelle nach § 13 RVG und der PKH-Anwaltsgebührentabelle des § 49 RVG. Zahle der Mandant dem beigeordneten Rechtsanwalt die vereinbarte Vergütung, müsse der Anwalt dies bei seinem Antrag auf Festsetzung der PKH-Anwaltsvergütung der Landeskasse mitteilen. Jedoch finde eine Anrechnung auf den Anspruch auf die PKH-Anwaltsvergütung nach § 58 Abs. 2 S. 1 RVG nicht statt. Das vom Autor so gefundene Ergebnis stellt auch...