1. Die Argumentation des LG Marburg
Das LG Marburg (a.a.O.) hatte in seiner Entscheidung mit dem Normzweck bzw. dem darin zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Willen, der sich aus der Begründung des KostRMoG (BT-Drucksache 15/1971, 227 f.) ergebe, argumentiert, was zutreffend ist: Danach soll mit der Schaffung der Befriedungsgebühr die intensive und zeitaufwändige Tätigkeit des Verteidigers honoriert werden, die zu einer Vermeidung der Hauptverhandlung und damit beim Verteidiger zum Verlust der Hauptverhandlungsgebühr führt. Deshalb soll ihm eine Zusätzliche Gebühr i.H.d. jeweiligen Verfahrensgebühr zugebilligt werden. Die Befriedungsgebühr soll den Anreiz, Verfahren ohne Hauptverhandlung zu erledigen, erhöhen und somit zu weniger Hauptverhandlungen führen. Anm. Abs. 3 zu Nr. 4141 VV soll demnach klarstellen, dass sich die Höhe der Gebühr nach der Instanz bemesse, in der die Hauptverhandlung entbehrlich geworden sei (BT-Drucksache 15/1971, 227 f.). Unter Berücksichtigung dieser Begründung hat sich auch die Lit. dieser Ansicht angeschlossen (Gerold/Schmitt/Burhoff, RVG, 25. Aufl., 2021, VV Nr. 4141 Rn 49, Hartung/Schons/Enders, RVG, 3. Aufl., 2017, VV Nr. 4141 Rn 55; Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, Nr. 4141 VV Rn 91 ff.) und geht davon aus, dass sich die Befriedungsgebühr bei einer Beendigung des Verfahrens im vorbereitenden Verfahren nicht nach Nr. 4104 VV bemisst. Denn darin läge keine äquivalente Kompensation des Verlusts der entgehenden Terminsgebühr. Der Anreiz, das Verfahren durch Mitwirkung des Verteidigers in einem frühen Stadium zu beenden, würde nicht geschaffen, sondern der Verteidiger würde durch die Festsetzung der geringeren Gebühr nach Nr. 4104 VV sogar "bestraft", indem er eine geringere Gebühr erhält. Dass damit das Ziel, weniger Hauptverhandlungen durchführen zu müssen, nicht erreicht werden könne, liege auf der Hand. I.Ü. stehe auch die Differenz der streitigen Gebührentatbestände und die sich daraus für die Staatskasse ergebene Mehrbelastung in keinem Verhältnis zu den bei Durchführung einer Hauptverhandlung entstehenden Kosten, die, sofern der Angeklagte nicht verurteilt wird, ebenfalls der Staatskasse zur Last fallen. Die Verfahrensgebühr sei daher in diesen Fällen nach Nrn. 4106 ff. VV zu bemessen und richte sich danach, welches Gericht mit dem Verfahren befasst worden wäre, wenn sich das Verfahren nicht erledigt hätte.
2. Die Entscheidung des AG Oldenburg
Da hier der Verdacht des versuchten Totschlags Gegenstand des Ermittlungsverfahrens gewesen ist, ist die vom AG vorgenommene Zuordnung zu Nr. 4118 VV im Hinblick auf eine voraussichtliche Verhandlung vor dem Schwurgericht nicht zu beanstanden. Der Bezirksrevisor hatte das in seiner Stellungnahme (natürlich) anders gesehen und auf offenbar entgegenstehende Rspr. anderer Gerichte verwiesen, die das AG aber leider nicht angeführt hat. Ich kenne diese – und ich habe einen recht guten Überblick – nicht. Es wäre daher schön gewesen, wenn das AG diese Rspr., schon, um sich mit der anderen Ansicht auseinander setzen zu können, zitiert hätte.
Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg
AGS 9/2023, S. 404 - 405