Der Gesetzgeber scheint diese Überlegungen aufgenommen zu haben. Aktuell liegt der Entwurf eines Gesetzes zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten vor. Diese sieht u.a. eine Änderung der Beratungshilfegesetzgebung, aber auch des Beratungshilfeformulars vor. Ziel der vorgeschlagenen Neuregelungen ist es, den Einsatz von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit sowie in den Fachgerichtsbarkeiten (Verwaltungsgerichtsbarkeit, Finanzgerichtsbarkeit, Arbeitsgerichtsbarkeit, Sozialgerichtsbarkeit) weiter zu fördern. Der Einsatz von Videokonferenztechnik ist Ausdruck einer modernen, digitalen und bürgernahen Justiz. Von den bereits seit längerem bestehenden rechtlichen und technischen Möglichkeiten, mündliche Verhandlungen, Güteverhandlungen und Erörterungstermine sowie die Vernehmung von Zeugen, Sachverständigen und Parteien per Bild- und Tonübertragung durchzuführen, wurde erst infolge der Corona-Pandemie in größerem Umfang Gebrauch gemacht. Mittlerweile sind Videoverhandlungen und Videobeweisaufnahmen in vielen Fällen zu einem unverzichtbaren Instrument für eine effiziente Verfahrensführung geworden. Es ist zu erwarten, dass der Einsatz von Videokonferenztechnik auch künftig und unabhängig von einer pandemischen Lage ein wichtiger Bestandteil der Verfahrensgestaltung bleiben wird. Der Weg für eine schnellere, kostengünstigere und ressourcenschonendere Arbeitsweise und damit eine höhere Leistungsfähigkeit der Justiz ist also geebnet. Im Zuge dieses Vorhabens soll auch das BerHG und die BerHFV wie folgt geändert werden.
1. Änderungen des BerHG
§ 4 BerHG vom 18.6.1980, das zuletzt durch Artikel 12 des Gesetzes vom 25.6.2021 geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
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In Abs. 2 S. 1 wird das Wort "mündlich" durch die Wörter "vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt" ersetzt. |
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Dem Abs. 3 wird folgender Satz angefügt: "In geeigneten Fällen kann die Geschäftsstelle Erklärungen und Versicherungen nach Satz 1 auch zu Protokoll aufnehmen." |
2. Änderungen der BerHFV
In § 1 Nr. 1 BerHFV vom 2.1.2014, die durch Artikel 2 der Verordnung vom 16.12.2022 geändert worden ist, werden die Wörter "mündlich stellt" durch die Wörter "vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt" ersetzt.
Die Änderungen im Beratungshilfegesetz – i.Ü. auch bei Beantragung von Prozesskostenhilfe (PKH) – beruhen auf den Überlegungen, die Justiz zu modernisieren. Empirische Untersuchungen haben gezeigt, dass zu Corona-Zeiten sowieso, aber auch danach diese Arbeitsweise einen deutlichen Aufschwung erlebt habe. Diese "moderne" Arbeitsweise hilft Bürokratie abzubauen, Kosten – etwa Reisekosten – zu sparen. Auch wurden während der Pandemie Kommunikationsmittel bereitgestellt, die nun technisch auch den weiteren Einsatz problemlos ermöglichten.
3. Virtuelle Rechtsantragstelle
Die Vorteile der Videokonferenztechnik sollen neben der Beratungshilfe und der PKH-Prüfung auch für die Rechtsantragstellen nutzbar gemacht. Eine "virtuelle" Rechtsantragstelle soll die Zukunft sein. Die Abgabe von Anträgen oder Erklärungen vor der Urkundsbeamtin oder dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle sollen danach künftig auch per Bild- und Tonübertragung erfolgen. Die bisher bestehende zwingende Notwendigkeit, dass sich die antragstellende oder erklärende Person in das Gericht begibt, entfalle damit. Menschen, die nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen das nächstgelegene AG aufsuchen können, würde damit ein zusätzlicher Zugang zur Justiz eröffnet. Ob sich ein konkretes Anliegen für die Bearbeitung per Bild- und Tonübertragung eigne, bleibe aber weiterhin im Entscheidungsermessen der Urkundsbeamtin oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle. Sofern Anträge oder Erklärungen per Bild- und Tonübertragung aufgenommen werden, muss sich auch die Urkundsbeamtin oder der Urkundsbeamte nicht zwingend im Gericht aufhalten. An die Identifizierung der Antragsteller sollen bei der virtuellen Rechtsantragstelle keine höheren Anforderungen als bei einer physischen Rechtsantragstelle gestellt werden, sodass auch hier die Identifikation der beantragenden oder erklärenden Person mit einem Personalausweis über die Kamera als ausreichend angesehen wird.
4. Beantragung von Beratungshilfe (und PKH)
Besondere Relevanz sollen die virtuellen Möglichkeiten für die Beantragung von PKH und Beratungshilfe haben, die zukünftig vollständig per Bild- und Tonübertragung möglich sein soll. In § 117 Abs. 4 ZPO-E wird zu diesem Zweck klargestellt, dass über den Antrag auf Bewilligung der PKH hinaus auch die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse in geeigneten Fällen von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu Protokoll aufgenommen werden kann. Gleiches gilt im Hinblick auf die Beantragung von Beratungshilfe (§ 4 BerHG-E). Der Entwurf stellt auch fest, dass es sich bei diesen Fragen meist um "kleine" Termine ohne mehrere Parteien handeln wird und dass die meisten Geschäftsstellen bereit...