I. Fragen
1. Ausgangsfall
Der Kläger hat vor dem zuständigen LG gegen den Beklagten Zahlungsklage über 20.000,00 EUR erhoben. Das LG verurteilt den Beklagten zur Zahlung von 15.000,00 EUR und weist die Klage i.Ü. ab. Hiergegen legt der Kläger rechtzeitig Berufung mit dem Antrag ein, den Beklagten zur Zahlung weiterer 5.000,00 EUR zu verurteilen. Erst nach Ablauf der Berufungsfrist hat der Beklagte seinerseits gegen das Urteil Berufung eingelegt und beantragt, die Klage unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils insgesamt abzuweisen.
Hieraufhin nimmt der Kläger seine Berufung zurück. Das Berufungsgericht legt dem Kläger durch Beschl. v. 1.3. die durch seine Berufung veranlassten Kosten des Berufungsverfahrens auf. Dieser Beschluss wird rechtskräftig. Durch weiteren Beschl. v. 1.6. verwirft das Berufungsgericht die Berufung des Beklagten und erlegt diesem die durch seine unselbstständige Anschlussberufung veranlassten Kosten des Berufungsverfahrens auf.
Welche außergerichtlichen Kosten sind den hier nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen Parteien angefallen?
2.1. Abwandlung
Die Parteien haben unter Hinweis auf die Kostenentscheidungen des Berufungsgerichts vom 1.3. und 1.6. Kostenfestsetzungsanträge eingereicht und die im Ausgangsfall berechneten außergerichtlichen Kosten geltend gemacht. Der Rechtspfleger legt die beiden Kostenentscheidungen dahin aus, dass von den Kosten des Berufungsverfahrens der Kläger 1/4 und der Beklagte 3/4 zu tragen haben.
Wie sieht die Kostenausgleichung des Rechtspflegers aus?
3.2. Abwandlung
Welche Überlegungen haben die Prozessbevollmächtigten der beiden Parteien nach Zustellung der Ausfertigung des nach Ausgleichung erlassenen Kostenfestsetzungsbeschlusses des Rechtspflegers anzustellen?
II. Lösungen
1. Lösung zum Ausgangsfall
I. Außergerichtliche Kosten des Klägers
Dem Prozessbevollmächtigten des Klägers ist durch das Einreichen der Berufungsschrift mit Sachantrag eine 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV angefallen (s. Abs. 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3201 VV). Der Gegenstandswert bestimmt sich nach dem über § 23 Abs. 1 S. 1 RVG heranzuziehenden § 47 Abs. 1 S. 1 GKG, wonach sich der Streit- und damit auch der Gegenstandswert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers – hier des Klägers – bestimmt. Da der Kläger die weitere Verurteilung des Beklagten i.H.v. 5.000,00 EUR begehrt hat, ist für seine Berufung ein Gegenstandswert von 5.000,00 EUR anzusetzen.
Die außergerichtlichen Kosten des Klägers berechnen sich somit auf:
1. |
1,6-Verfahrensgebühr, Nr. 3200 VV |
534,40 EUR |
|
(Wert: 5.000,00 EUR) |
|
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
105,34 EUR |
|
Gesamt |
659,74 EUR |
II. Außergerichtliche Kosten des Beklagten
Auch dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten ist für das Einreichen der einen Sachantrag enthaltenden Berufungsschrift eine 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV angefallen. Diese berechnet sich nach einem Gegenstandswert von 15.000,00 EUR, da der Beklagte mit seiner Berufung die Abweisung der Klage insgesamt beantragt hatte (§ 23 Abs. 1 S. 1 RVG; § 47 Abs. 1 S. 1 GKG).
Damit berechnen sich die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens auf Seiten des Beklagten wie folgt:
1. |
1,6-Verfahrensgebühr, Nr. 3200 VV |
1.148,80 EUR |
|
(Wert: 15.000,00 EUR) |
|
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
220,07 EUR |
|
Gesamt |
1.390,87 EUR |
2. Lösung zur 1. Abwandlung
Der Rechtspfleger ist nach Auslegung der beiden Kostenentscheidungen des Berufungsgerichts vom 1.3. und 1.6. zu dem Schluss gekommen, dass eine Ausgleichung der Kosten des Berufungsverfahrens gem. § 106 ZPO mit einer Kostenquote von 1/4 (Kläger) zu 3/4 (Beklagter) vorzunehmen ist. Gerichtskosten sollen hier außer Betracht bleiben.
Somit nimmt der Rechtspfleger folgende Kostenausgleichung vor:
Die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens betragen:
1. |
des Klägers |
639,74 EUR |
2. |
des Beklagten |
1.390,87 EUR |
|
Gesamt |
2.030,61 EUR |
|
hiervon trägt der Beklagte 3/4 mit |
1.522,96 EUR |
|
seine eigenen außergerichtlichen Kosten betragen |
1.390,87 EUR |
|
Differenz |
132,09 EUR |
Diesen Betrag hat der Beklagte an den Kläger zu erstatten.
Der Rechtspfleger erlässt somit einen Kostenfestsetzungsbeschluss, in dem er die von dem Beklagten an den Kläger nach Ausgleichung zu erstattenden Kosten auf 132,09 EUR festsetzt.
3. Lösung zur 2. Abwandlung
I. Vorüberlegungen
In der Rspr. ist es umstritten, ob Teilkostenentscheidungen, wie sie im Ausgangsfall vom Berufungsgericht erlassen worden sind, zulässig sind. Bedenken bestehen insoweit, als es sich vorliegend um ein einziges Berufungsverfahren gehandelt hat, in dem eine einheitliche Kostenentscheidung mit einer Kostenquote hätte ergehen müssen. Nach Auffassung des LAG Berlin-Brandenburg und des BAG sind solche Teilkostenentscheidungen unzulässig und daher wirkungslos. Sie können nach dieser Auffassung dann auch nicht Grundlage eines Kostenfestsetzungsbeschlusses sein.
Demgegenüber hält der BFH eine Kostenverteilung nach Zeitabschnitten anstatt einer Kostenentscheidung mit einer Kostenquote für zulässig.
Folgt man dem LAG Berlin-Brandenburg und dem BAG, je a.a.O., ist auf ein Rechtsmittel der aufgrund einer unzulässigen Teilkostenentscheidung ergangene Kostenfestsetzungsbesch...