Das AG Nürnberg hat schon einmal so entschieden (s. AGS 2020, 506 = RVGreport 2020, 460). Ich habe schon zu der Entscheidung darauf hingewiesen, dass die amtsgerichtliche Sicht "– mit Verlaub – gebührenrechtlicher Nonsens" ist. Dabei bleibt es. Denn die Entscheidung des AG ist widersprüchlich. Sie vermischt die Kriterien des Entstehens der Grundgebühr Nr. 4100 VV mit den Kriterien für einen Haftzuschlag nach Vorbem. 4 Abs. 4 VV, bei deren Vorliegen dann die Grundgebühr Nr. 4100 VV mit Zuschlag nach Nr. 4101 VV entsteht. Zutreffend ist, dass die Grundgebühr in jedem Verfahrensstadium entstehen kann (vgl. wegen der Einzelh. die Kommentierung zur Nr. 4100 VV bei Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021 und Burhoff, AGS 2022, 443). Damit ist aber noch nichts über das Entstehen eines Haftzuschlags nach Vorbem. 4 Abs. 4 VV gesagt (vgl. dazu Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Vorbem. 4 VV Rn 103 ff. m.w.N.; Burhoff, AGS 2023, 147). Der setzt nämlich voraus, dass sich der Angeklagte/Mandant in dem Zeitraum, der mit der geltend gemachten Gebühr abgegolten werden soll, nicht auf freiem Fuß befunden hat. Da die Grundgebühr Nr. 4100 VV aber die Einarbeitung des Rechtsanwalts honoriert, ist das der Abgeltungsbereich der Grundgebühr. In dem Zeitraum der Einarbeitung muss sich der Mandant in Haft befunden habe. Ist das nicht der Fall, so wie hier, ist die Grundgebühr ohne Haftzuschlag entstanden. Dass der Mandant später inhaftiert wurde, hat keinen Einfluss mehr auf bereits abgeschlossene Gebührentatbestände, sondern nur noch auf "laufende Gebührentatbestände". Sie entstehen dann mit Haftzuschlag. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Grundgebühr "neben" der Verfahrensgebühr entsteht. Das AG irrt, wenn es meint, dass die "Zuschlagsvoraussetzungen" nicht zeitgleich zum Zeitpunkt der Einarbeitung vorgelegen haben müssen. Doch, das müssen sie, sonst passt der Zuschlag nicht. Wäre die Auffassung des AG richtig, würde die Grundgebühr ja immer (nachträglich) mit Zuschlag entstehen, wenn der Mandant irgendwann im Laufe des Verfahrens inhaftiert würde. Das ist aber nicht der Fall, obwohl das AG irrig davon auszugehen scheint.

Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

AGS 9/2023, S. 403 - 404

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