Rechtspfleger Werner Klüsener, Fiktive Terminsgebühr für Erörterungstermine in Kindschaftssachen, JurBüro 2023, 169
Nach Vorbem. 3 Abs. 3 S. 1 VV entsteht die Terminsgebühr sowohl für die Wahrnehmung von gerichtlichen Terminen als auch für die Wahrnehmung von außergerichtlichen Terminen und Besprechungen, wenn nichts anderes bestimmt ist. Nach Abs. 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3104 VV fällt die Terminsgebühr auch dann an, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien oder Beteiligten oder gem. § 307 ZPO oder § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung entschieden oder in einem solchen Verfahren mit oder ohne Mitwirkung des Gerichts ein Vertrag i.S.d. Nr. 1000 VV geschlossen wird. Ob eine Terminsgebühr auch dann entsteht, wenn ein Kindschaftsverfahren nach § 155 Abs. 1 FamFG im Einverständnis mit den Beteiligten ohne einen Erörterungstermin nach § 155 Abs. 2 FamFG ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird oder dieser nach § 156 Abs. 2 FamFG gerichtlich gebilligt wird, ist umstritten.
In seinem Beitrag befasst sich Klüsener mit dieser gebührenrechtlichen Frage. Zunächst gibt er einen Überblick über die Entwicklung des Verfahrensrechts vom früheren FGG bis zum derzeitigen FamFG. Er weist darauf hin, dass gem. § 155 Abs. 2 S. 1 FamFG der Erörterungstermin grds. gesetzlich vorgeschrieben ist. Jedoch könne ein Vergleich und eine anschließende gerichtliche Billigung nach § 156 Abs. 2 FamFG das Kindschaftsverfahren beenden, ohne dass zuvor ein solcher Erörterungstermin stattgefunden habe.
In den die Terminsgebühr regelnden Vorschriften der Vorbem. 3 Abs. 1 VV und Nr. 3104 VV ist der Fall eines Erörterungstermins nicht geregelt. Dort ist lediglich von einer mündlichen Verhandlung die Rede. Klüsener weist in seinem Beitrag darauf hin, dass deshalb und aus anderen von dem Autor erwähnten Gründen die wohl überwiegende Auffassung in Rspr. und Lit. den Anfall einer Terminsgebühr nach Abs. 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3104 VV ablehnt, wenn das Kindschaftsverfahren (vergleichsweise) ohne Durchführung eines Erörterungstermins beendet wird.
Demgegenüber bejahe die Gegenauffassung den Anfall einer Terminsgebühr in einem solchen Fall, indem sie die Regelung in Abs. 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3104 VV erweiternd auslege. Weitere Begründung für die den Anfall der Terminsgebühr bejahende Auffassung ist nach den Ausführungen Klüseners die Entstehungsgeschichte der vorstehend erwähnten Gebührenregelung und der Vorbem. 3 Abs. 3 S. 1 VV.
Klüsener schließt sich in seinem Beitrag der zuletzt genannten Auffassung an. Die allein eng am Wortlaut orientierte, den Anfall der Terminsgebühr verneinende Auffassung sieht der Autor nicht als überzeugend an. Er verweist auf den Willen des Gesetzgebers bei der Einführung der Gebührenregelung in Abs. 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3104 VV, dem Rechtsanwalt auch dann eine Terminsgebühr zuzubilligen, wenn er an der Verfahrensbeendigung ohne mündliche Verhandlung mitwirkt. Dies gelte auch für den Fall der Beendigung eines Kindschaftsverfahrens ohne Durchführung eines Erörterungstermins nach § 155 Abs. 2 FamFG. Klüsener verweist ferner darauf, dass der Gesetzgeber vergütungsrechtlich die Begriffe "Termin zur mündlichen Verhandlung" und "… zur Erörterung" nicht immer unterscheide. Vielmehr spreche einiges dafür, dass der Begriff der "mündlichen Verhandlung" im FamFG auch als Oberbegriff für Verhandlungs- und Erörterungstermine in den einzelnen Verfahrensarten (Verfahren in Ehe- und Familienstreitsachen einerseits und in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit andererseits) verstanden werden könne.
Rechtsanwalt Norbert Schneider, Streitwert bei wechselseitigen Berufungen in Verkehrsunfallsachen, NJW-Spezial 2023, 411
In der Praxis kommt es nicht selten vor, dass in einem Verkehrshaftpflichtprozess gegen das erstinstanzliche Urteil wechselseitige Berufungen eingelegt wird. Die eine Partei erstrebt mit ihrer Berufung eine höhere Haftungsquote zu ihren Gunsten. Die Gegenpartei will mit der Berufung die eigene Haftung reduzieren. Wie sich der Streitwert in einem solchen Fall berechnet, ist umstritten. So vertritt das OLG Celle in st. Rspr. die Auffassung, dass in einem solchen Fall die Werte der wechselseitigen Berufungen nicht zu addieren sind, weil derselbe Gegenstand betroffen sei. Demgegenüber nimmt das OLG Oldenburg eine Streitwertaddition vor, weil es sich um verschiedene Teil-Gegenstände handele.
Schneider verdeutlicht die unterschiedlichen Folgen dieser beiden Auffassungen anhand eines Beispiels. Der Autor verweist zunächst auf die Bestimmung des § 47 Abs. 1 GKG, wonach sich im Rechtsmittelverfahren der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers bestimmt. Bei wechselseitig eingelegten Rechtsmitteln, die nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, verweist § 45 Abs. 2 GKG auf die Regelung in § 45 Abs. 1 GKG, die an sich die Bewertung von Klage und Widerklage betreffe. Daraus ergibt sich nach Auffassung Schneiders, dass die Werte der mit einer Klage und ...