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Am 1.4.2024 ist das Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (Cannabisgesetz – CanG) in Kraft getreten. Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit dessen Auswirkungen auf die RVG-Verteidigervergütung.
I. Amnestieregelung in Art. 316p und 313 EGStGB
1. Straferlass nach Art. 313 Abs. 1 EGStGB für rechtskräftige, noch nicht vollstreckte Strafen
a) Erlasswirkung kraft Gesetzes
Für vor dem 1.4.2024 verhängte rechtskräftige Strafen nach dem Betäubungsmittelgesetz, die nach dem Konsumcannabisgesetz (KCanG) oder dem Medizinal-Cannabisgesetz (MedCanG) nicht mehr strafbar und auch nicht mit Geldbuße bedroht sind, ist ein Straferlass vorgesehen. Durch Art. 13 CanG wurde Art. 316p EGStGB eingefügt, wonach insoweit die generelle Amnestie-Regelung in Art. 313 EGStGB entsprechend anzuwenden ist. Art. 313 Abs. 1 S. 1 EGStGB sieht vor, dass rechtskräftig verhängte Strafen wegen solcher Taten, die nach neuem Recht nicht mehr strafbar und auch nicht mit Geldbuße bedroht sind, mit Inkrafttreten des neuen Rechts erlassen werden, soweit sie noch nicht vollstreckt sind.
Die Rechtswirkungen des Straferlasses nach Art. 313 Abs. 1 EGStGB treten dabei unmittelbar kraft Gesetzes (ipso jure) ein, ohne dass es einer Entscheidung der Vollstreckungsbehörde bedarf. Deshalb hat eine Entscheidung der Vollstreckungsbehörde, dass Vollstreckungsmaßnahmen einzustellen sind, nur deklaratorischer Charakter.
b) Verteidigervergütung
Eine etwaige Tätigkeit des Verteidigers gegenüber der Vollstreckungsbehörde im Hinblick auf den Straferlass wird man systematisch der Strafvollstreckung zuordnen müssen. Hierfür spricht, dass Art. 313 Abs. 5 EGStGB bei Zweifeln über die sich aus Art. 313 Abs. 1 EGStGB ergebenden Rechtsfolgen die §§ 458 und 462 StPO für sinngemäß anwendbar erklärt. Daher entsteht bei einem umfassenden Vertretungsauftrag für die Strafvollstreckung für die Tätigkeit im deklaratorischen Straferlassverfahren die Verfahrensgebühr für sonstige Verfahren in der Strafvollstreckung nach Nrn. 4204 f. VV. Liegt nur ein Auftrag für eine einzelne Tätigkeit in der Strafvollstreckung vor, zum Beispiel für das Schreiben an die Staatsanwaltschaft mit dem Antrag auf Einstellung der Vollstreckung, entsteht die Verfahrensgebühr für eine einzelne Tätigkeit nach Nr. 4301 Nr. 6 VV.
2. Mischfälle: Neufestsetzung einer Strafe (Art. 313 Abs. 3 EGStGB) oder einer Gesamtstrafe (Art. 313 Abs. 4 EGStGB)
a) Neufestsetzung als Teil des Erkenntnisverfahrens
Bei Tateinheit (§ 52 StGB) von weiterhin strafbaren und seit dem 1.4.2024 straflosen Handlungen ist gem. Art. 316p, 313 Abs. 3 EGStGB eine Neufestsetzung der Strafe erforderlich. Auch eine bei Tatmehrheit (§ 53 StGB) gebildete Gesamtstrafe muss gem. Art. 316p, 313 Abs. 4 EGStGB neu festgesetzt werden, wenn eine seit 1.4.2024 straflose Tat Teil der Gesamtstrafe ist. Für die Neufestsetzung der Strafe oder der Gesamtstrafe ist nach derzeit wohl h.M. das erkennende Gericht und nicht die Strafvollstreckungskammer zuständig.
In der Sache geht es nicht um Zweifel über die Berechnung einer bereits "erkannten Strafe" (§ 458 Abs. 1 StPO) oder um Gesichtspunkte, die dem Strafvollstreckungsverfahren zugeordnet werden können, sondern um eine Rechtskraftdurchbrechung und Neufestsetzung der originären Strafe und damit um eine dem Tatgericht zuzuordnende Strafzumessungsentscheidung, die der Vollstreckung vorgelagert ist. Der Akt der Strafzumessung ist typischerweise Teil des Erkenntnisverfahrens und dem erkennenden Gericht und nicht etwa der Strafvollstreckungskammer zugewiesen.
b) Verteidigervergütung
Vor diesem Hintergrund spricht vieles dafür, dass die Tätigkeit des Verteidigers bei der Neufestsetzung der Strafe bzw. einer Gesamtstrafe nach Art. 316p, 313 Abs. 3, 4 EGStGB keine Gebühren in der Strafvollstreckung nach Teil 4 Abschnitt 2 VV auslöst (Nrn. 4200 ff. VV), sondern als Teil des Erkenntnisverfahrens Teil 4 Abschnitt 1 VV (Nrn. 4100 ff. VV) unterfällt. Für die einzelnen Gebühren gilt daher Folgendes:
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Eine Grundgebühr nach Nr. 4100 VV entsteht nicht erneut, weil unverändert derselbe Rechtsfall vorliegt. Der Rechtsfall ist der strafrechtliche Vorwurf, der dem Verurteilten gemacht wird. |
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Eine Verfa... |