§§ 119 Abs. 1 S. 1, 121 Abs. 2 ZPO; § 11a Abs. 1 ArbGG
Leitsatz
- Die für die Beiordnung im Wege der Prozesskostenhilfe erforderliche Vertretungsbereitschaft eines Rechtsanwalts liegt nur dann vor, wenn diese auch das Prozesskostenhilfe-Prüfungsverfahren miterfasst.
- Die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Wege der Prozesskostenhilfe führt nicht zur Begründung eines Vertrages oder eines Rechtsverhältnisses zwischen dem beigeordneten Rechtsanwalt und der Partei. Ein solches Verhältnis entsteht erst dann, wenn die Partei den beigeordneten Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung beauftragt und ihm für sein Auftreten eine entsprechende Vollmacht erteilt hat.
- Ob der Rechtsanwalt bereit ist, die Partei über den in der Vollmachtsurkunde ausgewiesenen Inhalt hinaus im Rahmen des gesamten Rechtszugs nach § 119 Abs. 1 S. 1 ZPO zu vertreten, ergibt sich aus der Vollmachtsurkunde dann nicht, wenn sich Einschränkungen ergeben.
BAG, Beschl. v. 18.4.2024 – 4 AZB 22/23
I. Sachverhalt
In dem vor dem ArbG Bremen-Bremerhaven anhängigen Rechtsstreit stritten die Parteien über einen Zahlungsanspruch und die Erteilung und Herausgabe verschiedener Arbeitspapiere. Für diesen Rechtsstreit beantragte der Kläger zusammen mit der Klageschrift die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten. Kurze Zeit später erwirkte der Kläger gegen die Beklagte ein Versäumnisurteil. Innerhalb der vom ArbG nachgelassenen Frist reichte der Kläger eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst verschiedener Belege sowie eine Vollmachtsurkunde seines Prozessbevollmächtigten beim ArbG ein. In dieser Vollmacht hieß es auszugsweise:
Zitat
“Herrn Rechtsanwalt M. B. wird hiermit … Vollmacht erteilt für die Beantragung von PKH/VKH in meiner o.b. Angelegenheit.
Der Auftrag erfasst lediglich das Antragsverfahren, nicht aber ein eventuelles PKH-/VKH-Überprüfungsverfahren nach Abschluss der Hauptsache.“
Gegen das erwirkte Versäumnisurteil legte die Beklagte innerhalb der Einspruchsfrist keinen Einspruch ein.
Mit Schreiben vom 7.11.2020 teilte das ArbG dem Kläger und seinem Prozessbevollmächtigten mit, es erwäge, den Beiordnungsantrag zurückzuweisen, weil die vorgelegte Prozessvollmacht lediglich das Antragsverfahren, nicht aber ein eventuelles PKH-Überprüfungsverfahren nach Abschluss der Hauptsache erfasse. Dem ist der Prozessbevollmächtigte des Klägers entgegengetreten. Das ArbG hat den Antrag auf Beiordnung des Prozessbevollmächtigten zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Klägers hatte beim LAG Bremen keinen Erfolg.
Die vom LAG zugelassene Rechtsbeschwerde hat das BAG zurückgewiesen.
II. Beiordnung eines Rechtsanwalts
1. Gesetzliche Regelung
Gem. § 11a Abs. 1 ArbGG gelten die Vorschriften der ZPO über die PKH in Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen entsprechend. Soweit eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben ist, wird der Partei nach dem entsprechend anwendbaren § 121 Abs. 2 ZPO auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist.
Die nach dieser Regelung erforderliche Vertretungsbereitschaft liegt nach Auffassung des BAG nur dann vor, wenn diese auch das PKH-Überprüfungsverfahren erfasst. Dies hat das BAG damit begründet, dass der Umfang einer Beiordnung im Rahmen der PKH sich grds. auf den Rechtszug gem. § 119 Abs. 1 S. 1 ZPO mit erstreckt (BGH AGS 2018, 141 = RVGreport 2018, 315 [Hansens]). Dabei sei der Begriff des Rechtszuges im Rahmen des § 119 Abs. 1 S. 1 ZPO im kostenrechtlichen Sinne zu verstehen. Wenn ein Verfahrensabschnitt keine besonderen Kosten verursache, sei er ein Teil eines einheitlichen Rechtszuges (so auch BGH, a.a.O.). Teil des so gesehenen Rechtszugs ist nach den weiteren Ausführungen das PKH-Verfahren, das das PKH-Überprüfungsverfahren einschließe (so BGH, Beschl. v. 8.12.2010 – XII ZB 151/10; LAG Köln AGS 2020, 194 = RVGreport 2019, 435 [Hansens]). Das BAG hat darauf hingewiesen, dass das PKH-Verfahren neben den Rechtsanwaltsgebühren für das Hauptsacheverfahren keine gesonderte Rechtsanwaltsvergütung auslöse. Folglich gehöre dies gem. § 15 Abs. 2 RVG noch zu derselben Angelegenheit, in der der Rechtsanwalt die Gebühren nur einmal fordern könne. Das Verfahren über die PKH und das Verfahren, für das die PKH beantragt worden ist, stellen nämlich gem. § 16 Nr. 2 RVG eine einzige gebührenrechtliche Angelegenheit dar.
Auch bei Gericht würden für das PKH-Verfahren keine gesonderten Gerichtsgebühren erhoben.
2. Keine PKH-Bewilligung für das PKH-Verfahren
Dem steht nach den weiteren Ausführungen des BAG nicht entgegen, dass für die Bewilligung von PKH selbst keine PKH bewilligt werden könne (a.A. OLG Brandenburg AnwBl 2021, 688 = JurBüro 2022, 157). Folglich erfasse die Beiordnung eines Rechtsanwalts grds. auch das PKH-Überprüfungsverfahren. Dies hat nach den weiteren Ausführungen des BAG zur Folge, dass sich auch die Vertretungsbereitschaft des Rechtsanwa...