§§ 103 f. ZPO; Art. 103 Abs. 1 GG; § 21 GKG; Nr. 1812 GKG KV
Leitsatz
- Rechtsstaatliche Grundsätze gebieten es, den Bürger vor jeder ihn belastenden staatlichen Maßnahme anzuhören. Das gilt auch im Kostenfestsetzungsverfahren und dort auch bei vermeintlich einfachen Sachverhalten. Rechtliches Gehör wird daher verletzt, wenn im Kostenfestsetzungsverfahren der Kostenfestsetzungsantrag des Berechtigten dem Kostenfestsetzungsschuldner erst mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss zugänglich gemacht wird.
- Ist ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör erfolgt, kommt es regelmäßig darauf an, ob dieser sich ausgewirkt hat. Ein derartiger Verfahrensfehler, der keine Auswirkungen auf die Sachentscheidung hat, zwingt nicht zu deren Abänderung oder gar Aufhebung.
- Eine Heilung des Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG kann eintreten, wenn das rechtliche Gehör im Rechtsmittelzug gewährt wird und das Rechtsmittelgericht in der Lage ist, das Vorbringen zu berücksichtigen. Letzteres ist im Beschwerdeverfahren und auch bereits im vorgelagerten Abhilfeverfahren der Fall, da diese keine Präklusion von ergänzendem und neuem Vorbringen kennen.
- Wenn eine Heilung im Rechtsmittelzug eingetreten ist, beruht diejenige Entscheidung, die die unter Verstoß gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs zustande gekommene Entscheidung aufrechterhält, – und damit der Bestand der Ausgangsentscheidung – regelmäßig nicht (mehr) auf dem Verstoß.
- Die Nichterhebung nach § 21 GKG der im Kostenfestsetzung-Beschwerdeverfahren bei Zurückweisung der Beschwerde anfallenden Gerichtskosten nach Nr. 1812 GKG KV setzt voraus, dass diese Kosten unmittelbare Folge der Gehörsverletzung durch das Ausgangsgericht sind und damit objektiv ursächlich auf dieser beruhen. Daran fehlt es jedenfalls dann, wenn dem Beschwerdeführer vor einer Entscheidung des Beschwerdegerichts die Unbegründetheit der sofortigen Beschwerde erläutert wird und er die ihm gebotene Gelegenheit zur Rücknahme der sofortigen Beschwerde nicht wahrnimmt.
KG, Beschl. v. 18.3.2024 – 5 W 34/24
I. Sachverhalt
Aufgrund der ihm günstigen Kostenentscheidung des LG Berlin hat der Beklagte mit seinem Kostenfestsetzungsantrag vom 11.10.2023, der beim LG am selben Tage eingegangen war, die Festsetzung seiner außergerichtlichen Kosten i.H.v. insgesamt 6.625,33 EUR und ferner beantragt, den festzusetzenden Betrag verzinslich ab Antragstellung mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz festzusetzen. Der Rechtspfleger des LG Berlin hat – ohne den Kostenfestsetzungsantrag dem Kläger vorher zu übersenden – die von dem Kläger an den Beklagten zu erstattenden Kosten durch Kostenfestsetzungsbeschl. v. 20.11.2023 antragsgemäß festgesetzt und die Verzinsung seit dem 11.10.2023 angeordnet. Dieser Kostenfestsetzungsbeschluss wurde dem Kläger zusammen mit dem Kostenfestsetzungsantrag des Beklagten am 20.11.2023 zu Händen seines Prozessbevollmächtigten zugestellt. Mit Schriftsatz vom 8.12.2023 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers gerügt, beide Unterlagen jeweils nur unvollständig erhalten zu haben. Unter dem 12.12.2023 hat das LG Berlin sowohl den Kostenfestsetzungsbeschluss als auch den Kostenfestsetzungsantrag formlos vollständig dem Prozessbevollmächtigten des Klägers übersandt.
Mit dem am selben Tage beim LG Berlin eingegangenen Schriftsatz vom 18.12.2023 hat der Kläger gegen den Kostenfestsetzungsbeschl. v. 20.11.2023 "Beschwerde" eingelegt. Mit seiner rund zwei Monate später eingegangenen Begründung hat der Kläger geltend gemacht, der Rechtspfleger des LG habe durch die erst am 12.12.2023 erfolgte vollständige Übersendung des Kostenfestsetzungsantrags das rechtliche Gehör des Klägers verletzt. Außerdem sei die Verzinsung erst ab dem Zeitpunkt vorzunehmen, in dem der Kostenfestsetzungsbeschluss dem Kläger vollständig vorgelegen habe, was erst am 8.12.2023 der Fall gewesen sei.
Der Rechtspfleger des LG Berlin hat den Kläger-Vertreter mit Verfügung vom 25.1.2024 darauf hingewiesen, es halte das Rechtsmittel gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss nicht für begründet, der Kläger möge dieses innerhalb von zwei Wochen zurücknehmen. Nachdem eine Rücknahme nicht eingegangen war, hat der Rechtspfleger der sofortigen Beschwerde unter Hinweis auf seine Ausführungen in der vorgenannten Verfügung nicht abgeholfen und das Verfahren dem KG zur Entscheidung vorgelegt.
Das KG hat die sofortige Beschwerde des Klägers auf dessen Kosten zurückgewiesen.
II. Begründetheit der sofortigen Beschwerde
1. Höhe der außergerichtlichen Kosten
Die Festsetzung der außergerichtlichen Kosten des Beklagten war nach Auffassung des KG weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten hatte hier die von ihm zutreffend berechneten Anwaltsgebühren nach dem vom LG Berlin festgesetzten Streitwert geltend gemacht. Auch die Auslagen seines Prozessbevollmächtigten waren nicht zu beanstanden. Diese Kosten waren nach Auffassung des KG gem. § 91 Abs. 1 ZPO auch erstattungsfähig. Einwendungen gegen Grund und Höhe der festgesetzten Kosten hatte der Kläger i.Ü. auch nicht erhoben.
2. Verzinsung
Auch die Verzins...