Leitsatz (amtlich)
1. Rechtsstaatliche Grundsätze gebieten es, den Bürger vor jeder ihn belastenden staatlichen Maßnahme anzuhören. Das gilt auch im Kostenfestsetzungsverfahren und dort auch bei vermeintlich einfachen Sachverhalten. Rechtliches Gehör wird daher verletzt, wenn im Kostenfestsetzungsverfahren der Kostenfestsetzungsantrag des Berechtigten dem Kostenfestsetzungsschuldner erst mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss zugänglich gemacht wird.
2. Ist ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör erfolgt, kommt es regelmäßig darauf an, ob dieser sich ausgewirkt hat. Ein derartiger Verfahrensfehler, der keine Auswirkungen auf die Sachentscheidung hat, zwingt nicht zu deren Abänderung oder gar Aufhebung.
3. Eine Heilung des Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG kann eintreten, wenn das rechtliche Gehör im Rechtsmittelzug gewährt wird und das Rechtsmittelgericht in der Lage ist, das Vorbringen zu berücksichtigen. Letzteres ist im Beschwerdeverfahren und auch bereits im vorgelagerten Abhilfeverfahren der Fall, da diese keine Präklusion von ergänzendem und neuem Vorbringen kennen.
4. Wenn eine Heilung im Rechtsmittelzug eingetreten ist, beruht diejenige Entscheidung, die die unter Verstoß gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs zustande gekommene Entscheidung aufrechterhält - und beruht damit der Bestand der Ausgangsentscheidung -, regelmäßig nicht (mehr) auf dem Verstoß.
5. Die Nichterhebung nach § 21 GKG der im Kostenfestsetzung-Beschwerdeverfahren bei Zurückweisung der Beschwerde anfallenden Gerichtskosten nach Nr. 1812 GKG-KV setzt voraus, dass diese Kosten unmittelbare Folge der Gehörsverletzung durch das Ausgangsgericht sind und damit objektiv ursächlich auf dieser beruhen. Daran fehlt es jedenfalls dann, wenn dem Beschwerdeführer vor einer Entscheidung des Beschwerdegerichts die Unbegründetheit der sofortigen Beschwerde erläutert wird und er die ihm gebotene Gelegenheit zur Rücknahme der der sofortigen Beschwerde nicht wahrnimmt.
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1; GKG-KV Nr. 1812; GKG § 21; ZPO § 104
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 20.11.2023; Aktenzeichen 57 O 81/22) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Berlin vom 20.11.2023 - 57 O 81/22 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Gründe
A. Das Landgericht Berlin hat mit auf eine mündliche Verhandlung hin ergangenem Urteil vom 07.08.2023 - 57 O 81/22 - die Klage abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt. Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 18.08.2023 zugestellt worden und mangels (fristgerechter) Anfechtung rechtskräftig geworden (vgl. § 517 ZPO). Mit Beschluss vom 07.08.2023 hat das Landgericht den Streitwert auf 200.000,- Euro festgesetzt. Der Streitwertfestsetzungs-Beschluss ist weder (fristgerecht) angefochten worden (vgl. §§ 68 Abs. 1 Satz 3, 63 Abs. 3 Satz 2 GKG) noch durch das Landgericht noch abänderbar (vgl. § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 GKG).
Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 11.10.2023, eingegangen beim Landgericht am selben Tag, hat der Beklagte - ausgehend von einem Streitwert von 200.000,- Euro und unter Angabe, nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt zu sein - beantragt, eine 1,3 -fache Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV-RVG in Höhe von 2.884,70 Euro, eine 1,2 fache Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV-RVG in Höhe von 2.662,80 Euro, eine Post- und Telekommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV-RVG in Höhe von 20,- Euro sowie die Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV-RVG in Höhe von 1.057,83 Euro, insgesamt somit 6.625,33 Euro, gegen den Kläger festzusetzen. In diesem Kostenfestsetzungsantrag hat er ferner beantragt, den festzusetzenden Betrag verzinslich ab Antragstellung mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz festzusetzen.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20.11.2023 - 57 O 81/22 - hat das Landgericht die vom Kläger an den Beklagten zu erstattenden Kosten auf 6.625,33 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.10.2023 festgesetzt. Dieser Beschluss sowie der - zuvor nicht dem Kläger übersandte - Kostenfestsetzungsantrag des Beklagten sind am 20.11.2023 zur Zustellung an den Prozessbevollmächtigten des Klägers abgesandt worden. Nach Rüge des Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schriftsatz vom 08.12.2023, beide Unterlagen jeweils nur unvollständig erhalten zu haben, hat das Landgericht beide Schriftstücke am 12.12.2023 formlos vollständig an den Prozessbevollmächtigten des Klägers übersandt.
Mit Schriftsatz vom 18.12.2023, beim Landgericht eingegangen am selben Tag, hat der Kläger "Beschwerde" gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20.11.2023 eingelegt. Dieses Rechtsmittel hat der Kläger mit Schriftsatz vom 22.01.2024 näher begründet. Er stützt sich darauf, dass infolge der erst mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss erfolgten Übermittlung des Kostenfestsetzungsantrags des Beklagten (nach Klägervortrag beides vollständig zugegangen am 12.12.2023) das rechtliche Gehör des Klägers verletzt worden sei und dass darüber h...