SGB X § 63; RVG §§ 3, 14, 7; RVG VV Nrn. 1008, 2400
Leitsatz
Unter den Voraussetzungen der Nr. 1008 VV erhöht sich auch die in Nr. 2400 VV bestimmte Kappungsgrenze.
SG Karlsruhe, Urt. v. 28.7.2009 – S 15 AS 1493/08
1 Aus den Gründen
Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kostenfestsetzungsbescheid der Beklagten vom 8.2.2008 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten. Die Kläger haben einen Anspruch auf Erstattung ihrer im Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid der Beklagten vom 9.7.2007 entstandenen Kosten in der von ihnen beantragten Höhe von 395,08 EUR.
Soweit ein Widerspruch erfolgreich ist, hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, nach § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Ihre Erstattungspflicht hat die Beklagte dem Grunde nach im Widerspruchsbescheid anerkannt. Die geltend gemachten Kosten gehören zu den vom Erstattungsanspruch umfassten notwendigen Aufwendungen. Die Zuziehung der Prozessbevollmächtigten wurde ebenfalls im Widerspruchsbescheid als notwendig anerkannt. Die Höhe der zu erstattenden Kosten richtet sich daher nach dem RVG.
Nach § 3 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das GKG nicht anzuwenden ist, und entsprechend für eine Tätigkeit außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens, Abs. 2, Betragsrahmengebühren. Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen, § 14 Abs. 1 S. 1 RVG. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist, S. 4.
Die vom Bevollmächtigten der Kläger zugrunde gelegten Gebühren sind nicht unbillig.
1. Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zum RVG, § 2 Abs. 2 RVG. Nach Nr. 2400 VV beträgt der Betragsrahmen für die Geschäftsgebühr 40,00 EUR bis 520,00 EUR, wenn eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren nicht vorausgegangen ist (vgl. Nr. 2401 VV). Die mittlere Gebühr beträgt mithin 280,00 EUR (Regelmittelgebühr). Nach S. 2 kann jedoch eine Gebühr von mehr als 240,00 EUR nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Bei der Bestimmung der Geschäftsgebühr ist von dieser sog. Schwellengebühr bzw. Kappungsgrenze von 240,00 EUR auszugehen, d.h. nur bei Vorliegen besonderer Umstände ist von dieser Gebührenhöhe abzuweichen. Die Annahme eines die Schwellengebühr rechtfertigenden Durchschnittsfalls durch den Bevollmächtigten der Kläger verstößt nicht gegen die Billigkeit, sondern entspricht der Bedeutung der Angelegenheit, dem Umfang und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie den Vermögens- und Einkommensverhältnissen der Auftraggeber.
... (wird ausgeführt) ...
2. Auch soweit der klägerische Prozessbevollmächtigte die zu erstattende Geschäftsgebühr von 240,00 EUR um 30 % erhöht, begegnet dies nach Auffassung der Kammer keinen Bedenken.
Sind Auftraggeber in derselben Angelegenheit mehrere Personen, erhält der tätige Rechtsanwalt die Gebühren nur einmal, § 7 Abs. 1 RVG. Es erhöhen sich aber bei der Bestimmung der Geschäftsgebühr nach Nr. 1008 VV bei Betragsrahmengebühren der Mindest- und Höchstbetrag um 30 % für jede weitere Person.
Die Kläger begehrten Leistungen als Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft und machten jeweils eigene Ansprüche gegenüber der Beklagten geltend. Auch der minderjährige Kläger zu 2) war, gesetzlich vertreten durch die Klägerin zu 1), selbstständiger Auftraggeber; die Mandatierung des Prozessbevollmächtigten durch die Klägerin zu 1) erfolgte im eigenen und im fremden Namen in derselben Angelegenheit. Ob die Klägerin zu 1) dem Prozessbevollmächtigten die gesamte oder nur anteilige Vergütung schuldet, kann dahingestellt bleiben. Auftraggeber i.S.d. § 7 Abs. 1 RVG ist hiervon unabhängig derjenige, in dessen Angelegenheit der Rechtsanwalt tätig wird (s. a. Hartmann, KostG, 38. Aufl. 2008, § 7 Rn 4, 8 m. w. Nachw.; LSG NRW, Urt. v. 28.7.2008 – L 19 AS 24/08; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 29.11.2007 – L 8 AS 39/06).
Hieraus ergibt sich zur Überzeugung der Kammer eine Geschäftsgebühr von 312,00 EUR. Nach dem Wortlaut der Nr. 1008 VV erhöht sich für jede weitere Person bei Betragsrahmengebühren der Mindest- und Höchstbetrag um 30 %. Der Betragsrahmen umfasst somit bei zwei Auftraggebern 52,00 EUR bis 676,00 EUR; die Regelmittelgebühr beträgt 364,00 EUR statt 280,00 EUR, die Schwellengebühr 312,00 EUR statt 240,00 EUR.
Der 3. Senat des LSG Baden-Württemberg hat in seinem Urt. v. 22.10.2008 – L 3 AS 2648/08 die Auffassung vertreten, aus Nr. 1008 VV resultiere keine Erhöhung der in Nr. 2400 VV festgelegten Kappungsgrenze von 240,00 EUR. Nr. 2400 VV sei inso...