Alles wird gut!
Mit dieser inzwischen zum Kult erhobenen schlichten Aussage der unvergessenen Nina Ruge in "Leute heute" wurde der Zuschauer des ZDF aus der Sendung verabschiedet.
Verabschieden kann man sich jetzt wohl auch von der in den letzten Monaten diskutierten "Jahrhundertfrage", ob der zum 5.8.2009 in Kraft getretene § 15a RVG auch für Altfälle Anwendung findet.
Man erinnere sich: Kaum war das Gesetz in Kraft getreten, fand zunächst unter den OLG eine engagierte Diskussion in Gerichtsentscheidungen darüber statt, ob § 15a RVG nur zukünftige Fälle betreffe, oder ob die Probleme in noch anhängigen Verfahren – wie vom Gesetzgeber übrigens erklärtermaßen beabsichtigt – nunmehr zu lösen seien.
Bei einigen Oberlandesgerichten, es seien hier nur Bamberg und Düsseldorf genannt, fand sich nicht einmal Einigkeit innerhalb desselben Gerichts, so dass das Schicksal der betroffenen Parteien letztendlich von dem Zufall abhängig war, bei welchem Senat man mit dieser Rechtsfrage landete.
Für die Anwaltschaft erwies sich § 15a RVG – jedenfalls für Altfälle – ebenfalls als eine neue Herausforderung, da man leicht in eine Regressfalle tappte, wenn man die Behandlung der Altfälle nicht zumindest mit dem Mandanten erörterte und mit ihm gemeinsam entschied, welche Rechtsprechung man nun berücksichtigen wolle. Schließlich konnte man nach zutreffender Ansicht dort, wo noch keine rechtskräftige Entscheidung im Kostenfestsetzungsverfahren getroffen war, ursprünglich fehlerhafte Kostenanträge bzw. solche, die die überholte BGH-Rechtsprechung berücksichtigt hatten, nachkorrigieren.
Was den Oberlandesgerichten Recht war, schien den Senaten des BGH billig.
Kaum hatte der II. Senat überzeugende, aber auch recht harsche Worte für die Rechtsprechung der Kollegen aus dem VIII. Senat gefunden und die Anwendung von § 15a RVG auch auf Altfälle begrüßt, da fühlte sich schon der X. Senat berufen, mit einem recht langen und eigentlich von niemandem eingeforderten und niemanden so recht interessierenden obiter dictum dem zweiten Senat seinerseits eine Art freundlichen Rüffel zu erteilen.
Jedenfalls meinte der X. Senat klipp und klar feststellen zu müssen, dass ihn die Ausführungen der Kollegen vom II. Senat keineswegs überzeugten und dass es bis zum 5.8.2009 in anhängigen Verfahren eigentlich beim alten Zustand, also bei der Rechtsprechung des VIII. Senats bleiben müsse.
Allerorten wurde nun befürchtet, dass eine Anrufung des Großen Senats in Bälde unumgänglich wäre. Allein, inzwischen haben offensichtlich fast alle Senate ihren Frieden mit § 15a RVG gemacht.
Berücksichtigt man das Engagement, mit dem sich hohe und höchste Gerichte mit den Anrechnungsregeln der Geschäftsgebühr beschäftigt haben, ist man fast geneigt, von einer historischen Dimension zu sprechen und in leicht abgewandelter Form das Zitat Willy Brandts zu bemühen:
"Jetzt wächst – wieder – zusammen, was zusammengehört." Will sagen: Die Senate des BGH haben zum Wohle des Landes und des rechtsuchenden Bürgers wieder zusammengefunden.
Nachdem bereits der erwähnte II. Senat einen wichtigen Beitrag zum Thema Rechtssicherheit geleistet hatte, schlossen sich der VII., XII., IX. und der V. Senat an.
Inzwischen sind zwei Entscheidungen des IV. Senats hinzugekommen (S. 474 und 475 in diesem Heft) und – dies erfordert ein ganz besonderes großes Dankeschön nach Karlsruhe – auch der VIII. Senat (S. 473 in diesem Heft) hat sich nunmehr zu Wort gemeldet und durch sein erfreuliches und klares Bekenntnis zu § 15a RVG (auch für Altfälle) das leidige Kapitel abgeschlossen.
Selten werden sich Anwälte und ihre Mandanten so gerne von einer so kontrovers geführten Rechtsdiskussion verabschiedet haben wie von dieser.
Und deshalb nochmals Nina Ruge: "Alles wird gut".
Herbert P. Schons