RVG § 15a; RVG VV Vorbem. 3 Abs. 3, Nrn. 2300, 3100
Leitsatz
Der im Innenverhältnis vereinbarte Ausschluss der Anrechenbarkeit der außergerichtlichen Geschäftsgebühr auf die gerichtliche Verfahrensgebühr steht einer Anrechnung im Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich nicht entgegen. Insoweit sind dem Gegner nur die erwachsenen Kosten zu erstatten, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren. Eine Anrechnung hat zwar grundsätzlich nicht von Amts wegen zu erfolgen. Etwas anderes gilt jedoch, wenn in dem Urteil, aufgrund dessen die Kostenfestsetzung betrieben wird, ein Erstattungsanspruch hinsichtlich der Geschäftsgebühr zuerkannt wurde. Insoweit gilt der Grundsatz, dass ein Rechtspfleger nicht sehenden Auges eine falsche Entscheidung treffen darf.
KG, Beschl. v. 13.7.2010–27 W 55/10
Sachverhalt
Das LG hatte mit Versäumnisurteil die Beklagte verurteilt. Dieser Entscheidung hat der Vortrag der Klägerin der Klageschrift zugrunde gelegen, dass in dieser Höhe durch die außergerichtliche Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten der Klägerin in derselben Sache eine Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 VV in Höhe des 1,3-Mittelwertes entstanden sei. Zugleich hat die Klägerin in der Klageschrift ausgeführt, dass die Anrechnung der Verfahrensgebühr auf die Geschäftsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren vorzunehmen sei. Im Kostenfestsetzungsantrag hat die Klägerin die Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 VV in Höhe des vollen Gebührensatzes von 1,3 angesetzt.
In dem Kostenfestsetzungsbeschluss hat das LG die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV anteilig um die Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV in Höhe von 0,65 und damit um 987,67 EUR brutto in Anrechnung gebracht.
Gegen diesen Kostenfestsetzungsbeschluss wendet sich die Klägerin mit ihrer sofortigen Beschwerde der das LG nicht abgeholfen hat. Die Klägerin meint, dass die Anrechnungsvorschrift der Vorbem. 3 Abs. 4 VV nicht einschlägig sei, da der auf das Innenverhältnis beschränkte sachliche Anwendungsbereich dieser Vergütungsregelung auf getroffene Vergütungsvereinbarungen wie in dem vorliegenden Fall keine Anwendung findet, da die gesetzlichen Geschäftsgebühren nach RVG und die gesetzlich vorgesehene Anrechnung durch die Vereinbarung der Parteien ausdrücklich ausgeschlossen seien. Zudem beziehe sie sich auf die Rspr., nach der die Anrechnungsvorschrift grundsätzlich nicht zur Anwendung komme, da sie sich im Außenverhältnis nicht auswirke. Selbst bei Anwendung des § 15a RVG auf Altfälle, finde diese Vorschrift keine Anwendung, da die Tatbestandsvoraussetzungen nicht erfüllt seien. So habe sich unstreitig die Beklagte nicht auf § 15a Abs. 2 ZPO berufen. Eine Prüfung von Amts wegen habe nicht stattzufinden.
Aus den Gründen
Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist nicht begründet, denn die von der Klägerin geltend gemachte Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV war anteilig zur Hälfte um die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV zu kürzen.
Nach der Anrechnungsvorschrift Vorbem. 3 Abs. 4 VV wird eine Geschäftsgebühr, die wegen desselben Gegenstandes nach den Nrn. 2300–2303 VV entsteht, grundsätzlich zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet. Diese Voraussetzungen liegen hier entgegen der Ansicht der Klägerin vor.
Die Klägerin hat vorgetragen, dass durch die außergerichtliche Tätigkeit ihres Prozessbevollmächtigten in derselben Sache eine Geschäftsgebühr in Höhe von 1,3 gem. Nr. 2300 VV entstanden sei. Aufgrund dieses Vortrages ist das Versäumnisurteil des LG ergangen, das mittlerweile rechtskräftig ist. Soweit die Klägerin nunmehr im Kostenfestsetzungsverfahren vortragen will, dass keine gesetzliche Gebühr entstanden sei, sondern sie mit ihrem Prozessbevollmächtigten hinsichtlich der außergerichtlichen Tätigkeit eine individuelle Gebührenvereinbarung getroffen habe, steht dieser Vortrag nicht im Einklang mit der eingereichten Vergütungsvereinbarung vom 10./11.9.2009, da sich diese gem. Nr. 1 der Vereinbarung ausdrücklich nur auf anwaltliche Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem "gerichtlichen Verfahren" bezieht, also ausdrücklich nicht auf die hier streitgegenständliche Geschäftsgebühr. Gegenstand des Kostenfestsetzungsverfahrens ist auch die Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 VV, wie sich bereits aus dem eigenen Kostenfestsetzungsantrag ergibt. Die behauptete individuelle Vergütungsvereinbarung steht daher der Anwendung der Anrechnungsvorschrift nicht entgegen, da im Kostenfestsetzungsverfahren nicht die Festsetzung individuell vereinbarter Rechtsanwaltshonorare beantragt wird.
Unerheblich ist, dass die Klägerin und ihr Prozessbevollmächtigter im Innenverhältnis die Anrechnung einer außergerichtlichen Geschäftsgebühr in der Vergütungsvereinbarung ausdrücklich ausgeschlossen haben. Gem. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO sind dem Gegner nur die erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren.
Es ist nicht ersichtlich, dass die geschlossene Vereinbarung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war. Hierauf hat der Senat bereits hinge...