Leitsatz (amtlich)

Kostenfestsetzung (Anrechnung der außergerichtlichen Geschäftsgebühr auf die gerichtliche Verfahrensgebühr): Von einer Erfüllung i.S.d. § 15a Abs. 2, Alt. 1 RVG ist auszugehen, wenn die Parteien in einem Prozessvergleich unmissverständlich geregelt haben, dass die betragsmäßig festgelegte Geschäftsgebühr vom Vergleich umfasst und abgegolten ist. Zu ihrer Bezifferung genügt die Bezugnahme auf den entsprechenden Klagantrag.

 

Normenkette

RVG § 15a Abs. 2; RVG Alt. 1; RVG-VV Nrn. 2300, 3100; RVG-VV Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Beschluss vom 17.06.2010; Aktenzeichen 25 O 423/09)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers des LG Stuttgart vom 17.6.2010 - 25 O 423/09, abgeändert:

Aufgrund des Vergleichs des LG Stuttgart vom 19.1.2010 - 25 O 423/09, sind von der Beklagten an die Klägerin und die Drittwiderbeklagte an Kosten zu erstatten: 731,37 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit 15.4.2010.

I. Der Kostenfestsetzungsantrag und die sofortige Beschwerde der Beklagten werden im Übrigen zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens. Von den außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beklagte 77 % sowie die Klägerin und die Drittwiderbeklagte als Gesamtschuldner 23 %.

Beschwerdewert: 244,90 EUR

 

Gründe

1. Im Hauptsacheverfahren haben die Parteien am 19.1.2010 einen Vergleich gem. § 278 Abs. 6 ZPO geschlossen, in dem sie unter Ziff. 5. vereinbarten:

"Die Parteien sind sich darüber einig, dass die mit der Widerklage vom 5.11.2009 unter Ziff. 3 geltend gemachten außergerichtlichen Geschäftsgebühren der Beklagten von dem vorliegenden Vergleich umfasst und abgegolten sind."

Im Übrigen einigten sich die Parteien auf eine Kostenquote zu Lasten der Klägerin und der Drittwiderbeklagten als Gesamtschuldner von 40 % und der Beklagten von 60 %.

Mit Ziff. 3. der Widerklage vom 5.11.2009 hatte die Beklagte von der Klägerin und der Drittwiderbeklagten als Gesamtschuldner die Zahlung von 1.329,94 EUR nebst Zinsen für die vorgerichtliche Vertretung der Beklagten durch ihre Prozessbevollmächtigten verlangt. Dieser Betrag setzte sich zusammen aus einer 1,6-Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV von 1.097,60 EUR (bei einem Gegenstandswert von 22.011,12 EUR), aus der Auslagenpauschale von 20 EUR und der Umsatzsteuer von 212,34 EUR.

Nachdem zunächst eine Anrechnung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr nicht vorgenommen wurde und mit Beschluss vom 3.5.2010 die von der Beklagten an die Klägerin und die Drittwiderbeklagte zu erstattenden Kosten auf 543,59 EUR festgesetzt worden waren, erfolgte im Wege der Abhilfe am 17.6.2010 unter Aufhebung der ursprünglichen Kostenfestsetzung eine erneute i.H.v. 788,49 EUR zu Lasten der Beklagten unter Berücksichtigung der Anrechnung einer 0,75-Geschäftsgebühr von 514,50 EUR (Gegenstandswert: 22.011,12 EUR) auf die von der Beklagten geltend gemachte 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG-VV von 683,80 EUR (Gegenstandswert: 12.920,26 EUR).

Gegen die am 23.6.2010 zugestellte Entscheidung hat die Beklagte am 7./12.7.2010 sofortige Beschwerde eingelegt, deren Zurückweisung die Gegenpartei beantragt hat. Im Streit ist - wie bereits im Kostenfestsetzungsverfahren - die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr.

Der Rechtspfleger hat nicht abgeholfen und die Akten dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.

2. Die sofortige Beschwerde ist gem. § 11 Abs. 1 RpflG, §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 568 ff. ZPO zulässig, hat aber in der Sache im Wesentlichen keinen Erfolg.

Anders als in dem vom Senat am 18.3.2010 - 8 W 132/10 (in juris), entschiedenen Fall geht es hier im Rahmen der Problematik einer Anrechnung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV auf die gerichtliche Verfahrensgebühr (Nr. 3100 RVG-VV) gem. Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 4 RVG-VV nicht darum, ob eine Titulierung der Geschäftsgebühr vorliegt, sondern ob von deren Erfüllung ausgegangen werden kann (§ 15a Abs. 2 RVG).

Der zwischen den Parteien geschlossene Vergleich beinhaltet keinen Vollstreckungstitel in Bezug auf die vorgerichtliche Geschäftsgebühr. Denn eine Zahlungspflicht der Klägerin und der Drittwiderbeklagten enthält dieser nicht. Eine Vollstreckung aufgrund des Vergleichs wäre insoweit nicht möglich.

Ein Dritter - hier die Klägerin und die Drittwiderbeklagte - können sich jedoch auf die Anrechnung gem. § 15a Abs. 2 RVG auch dann berufen, soweit er (sie) den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat (haben).

Der Vergleich der Parteien regelt ausdrücklich die mit der Widerklage vom 5.11.2009 unter Ziff. 3 geltend gemachten außergerichtlichen Geschäftsgebühren der Beklagten dahin, dass diese vom Vergleich umfasst und abgegolten sind.

Hierbei handelt es sich nicht um eine allgemeine Erledigungsklausel, der nicht zu entnehmen wäre, ob von einer Erfüllung des Anspruchs oder von einem Verzicht auf ihn auszugehen ist, sondern um eine...

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