BRAGO § 118; RVG § 34; BGB §§ 280, 286

Leitsatz

Entwirft ein Rechtsanwalt für seinen Mandanten ein Mahnschreiben in dessen Namen, ohne selbst nach außen in Erscheinung zu treten, so löst diese Tätigkeit keine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV, sondern allenfalls eine Beratungsgebühr nach § 34 RVG aus.

OLG Nürnberg, Urt. v. 19.7.2010–14 U 220/10

Sachverhalt

Der Kläger machte erstinstanzlich gegen den Beklagten einen Darlehensrückzahlungsanspruch sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten geltend.

Mit Darlehensvertrag vom 19.6.2008 verpflichtete sich der Beklagte, dem Kläger ein Darlehen in Höhe von 20.000,00 EUR, ohne dass es einer Kündigung bedarf, spätestens am 31.12.2008 in voller Höhe zurückzuzahlen. Nachdem eine fristgemäße Zahlung nicht erfolgte, forderte der Kläger den Beklagten mit Schreiben vom 16.2.2009 u. vom 17.3.2009 vergeblich zur Rückzahlung auf. Daraufhin hat der Kläger einen Mahnbescheid über eine Hauptforderung von 20.000,00 EUR sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.023,16 EUR erwirkt, gegen den der Beklagte Widerspruch eingelegt hat.

Mit der Anspruchsbegründung vom 20.10.2008 hat der Kläger erstinstanzlich einen Darlehensrückzahlungsanspruch in Höhe von lediglich 10.000,00 EUR sowie die Erstattung der genannten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten jeweils nebst Zinsen – verfolgt. Zu letzteren hat er vorgetragen, dass seine spätere Prozessbevollmächtigte bereits am 16.2.2009 das Mandat übernommen und außergerichtlich für ihn tätig gewesen sei. Auch die am 17.3.2009 versandte Mahnung sei nach entsprechender Beratung durch sie erfolgt.

Das LG hat den Beklagten verurteilt, an den Kläger 10.000,00 EUR nebst Zinsen sowie 1.023,16 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Die Zuerkennung von 1.023,16 EUR hat das LG damit begründet, dass dem Kläger ein Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von 20.000,00 EUR zuzüglich Auslagenpauschale und Umsatzsteuer aus Verzugsgesichtspunkten zustehe. Zwar sei die Klägervertreterin nicht selbst gegenüber dem Beklagten aufgetreten. Sie habe jedoch für den Kläger ein Mahnschreiben entworfen, das dieser zur Vorbereitung des vorliegenden Rechtsstreits anschließend an den Beklagten versandt habe. Die Tätigkeit der Klägervertreterin habe sich somit nicht darin erschöpft, dem Kläger einen Rat oder eine Auskunft zu erteilen, sondern sie habe darüber hinausgehende Tätigkeiten entfaltet, die die Auseinandersetzung voranbringen und ein anschließendes gerichtliches Verfahren vorbereiten sollten.

Nur wegen der Verurteilung zur Zahlung von 1.023,16 EUR (nebst Zinsen) hat der Beklagte Berufung eingelegt.

Er bestreitet, dass die Prozessbevollmächtigte des Klägers diesen vorgerichtlich beraten oder gar die Zahlungserinnerung vom 16.2.2009 und die Mahnung vom 17.3.2009 entworfen habe. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, sei damit keine Tätigkeit "nach außen" erfolgt, so dass allenfalls eine Beratungsgebühr angefallen wäre, die jedoch auf die Verfahrensgebühr anzurechnen sei. Im Übrigen habe die Prozessbevollmächtigte des Klägers keine Rechnung gestellt und kein Geld erhalten, so dass diesem auch kein entsprechender Verzugsschaden entstanden sei.

Der Kläger trägt vor, die Beratung habe über die bloße Formulierung des Zahlungsaufforderungsschreibens hinaus auch eine Auskunft über die rechtliche Durchsetzbarkeit des Anspruchs sowie über die Möglichkeiten einer zunächst außergerichtlichen Geltendmachung der Forderung umfasst. Er habe seiner Rechtsanwältin den Auftrag erteilt, ein außergerichtliches Zahlungsaufforderungsschreiben (vom 16.2.2009) zu entwerfen, welches er mit eigenem Briefkopf dem Beklagten habe zukommen lassen. Ebenso habe es sich mit dem Mahnschreiben vom 17.3.2009 verhalten. Durch Verwendung des eigenen Briefkopfes sollte zunächst versucht werden, den Beklagten zur Zahlung zu bewegen, ohne ihn unnötig dazu zu verleiten, seinerseits einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Darüber hinaus sei mit Schreiben seiner Rechtsanwältin vom 7.5.2009 die Einholung einer Deckungszusage bei der Rechtsschutzversicherung erfolgt. Schließlich habe nochmals eine Abklärung mit seiner Rechtsanwältin stattgefunden, nachdem der Beklagte durch seinen Rechtsanwalt mit Schreiben vom 6.4.2009 hatte erklären lassen, dass er keine 20.000,00 EUR erhalten habe, den Darlehensvertrag anfechte und keine Zahlung erfolgen werde. Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren seien daher entstanden. Hierbei sei ohne Belang, ob sie bereits geltend gemacht, tituliert oder bereits beglichen wurden.

Aus den Gründen

Die nach §§ 511, 519, 520 ZPO zulässige Berufung des Beklagten ist begründet und führt hinsichtlich der vom Kläger geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren zur Klageabweisung.

1.  Zwar steht dem Kläger aus § 280 Abs. 1, 2, § 286 BGB dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch auf Erstattung der ihm entstandenen Kosten für die außergerichtliche Tätigkeit seiner Prozessbevollmächtigten zu. Aufgrund des insoweit teilrechtskräftigen Endurte...

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