I. Überblick
In mehreren Fällen kann es vorkommen, dass ein Bußgeldverfahren in ein Strafverfahren übergeht. Es sind dies die Fälle
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der Abgabe eines Bußgeldverfahrens an die Staatsanwaltschaft als Strafsache nach § 41 OWiG, |
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der Übernahme des Bußgeldverfahrens durch die Staatsanwaltschaft nach § 42 OWiG, |
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des Übergangs vom Bußgeldverfahren zum Strafverfahren nach § 81 OWiG. |
Hat der Anwalt in diesen Fällen den Mandanten als Betroffenen bereits im Bußgeldverfahren vertreten, stellt sich die Frage, inwieweit die bereits im Bußgeldverfahren angefallene Vergütung bestehen bleibt und inwieweit sie in den nachfolgenden Gebühren des Strafverfahrens aufgeht.
II. Abgabe eines Bußgeldverfahrens durch die Verwaltungsbehörde an die Staatsanwaltschaft als Strafsache nach § 41 OWiG
1. Überblick
Ergibt sich im Verlaufe eines Bußgeldverfahrens der Verdacht einer Straftat und gibt die Verwaltungsbehörde die Sache daraufhin an die Staatsanwaltschaft nach § 41 Abs. 1 OWiG ab, so kommt es für die Abrechnung darauf an, ob die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen aufnimmt (s.u. 3.) oder ob sie die Sache ohne eigene Ermittlungen nach § 41 Abs. 2 OWiG an die Bußgeldbehörde wieder zurückgibt (s.u. 2.).
Möglich ist zudem, dass die Staatsanwaltschaft das Verfahren übernimmt und zu einem späteren Zeitpunkt das Strafverfahren einstellt und die Sache dann wieder an die Bußgeldstelle zurückgibt (s.u. 4.).
2. Rückgabe an die Bußgeldbehörde nach § 41 Abs. 2 OWiG
Sieht die Staatsanwaltschaft nach der Abgabe gem. § 41 Abs. 1 OWiG davon ab, ein Strafverfahren einzuleiten, so gibt sie die Sache an die Verwaltungsbehörde zurück (§ 41 Abs. 2 OWiG). In diesem Fall kommt es erst gar nicht zu einem Strafverfahren, sodass der Anwalt nur die Gebühren nach Teil 5 VV erhält. Die Abgabe wirkt sich dann gebührenmäßig nicht aus.
3. Übernahme durch die Staatsanwaltschaft nach § 42 Abs. 1 OWiG
Nimmt die Staatsanwaltschaft aufgrund einer Abgabe nach § 41 Abs. 1 OWiG die Ermittlungen wegen der Straftat auf, sind auch hier wie im umgekehrten Fall der Einstellung des Strafverfahrens unter Abgabe an die Bußgeldstelle zwei verschiedene Angelegenheiten i.S.d. § 15 RVG gegeben. Dies ergibt sich zwar nicht aus § 17 Nr. 10 RVG. Daraus, dass Straf- und Bußgeldsachen jedoch gesondert in verschiedenen Teilen des Vergütungsverzeichnisses geregelt sind, folgt, dass es sich auch hier um zwei verschiedene Angelegenheiten i.S.d. § 15 RVG handelt. Anderenfalls wäre zudem die Anrechnungsvorschrift der Anm. Abs. 2 zu Nr. 4100 VV überflüssig.
Der Anwalt erhält in diesem Fall im Bußgeldverfahren die Gebühren nach Teil 5 VV und im anschließenden Strafverfahren die Gebühren nach Teil 4 VV. Lediglich die Grundgebühr des Bußgeldverfahrens ist anzurechnen (Anm. Abs. 2 zu Nr. 4100 VV), soweit das vorangegangene Bußgeldverfahren dieselbe Tat betraf.
Eine zusätzliche Verfahrensgebühr nach Nr. 5115 VV im Bußgeldverfahren entsteht nicht, da bei der Abgabe an die Staatsanwaltschaft das Bußgeldverfahren nicht eingestellt wird, sondern vielmehr die Staatsanwaltschaft auch die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit übernimmt (§§ 40 ff. OWiG).
Die im Bußgeldverfahren entstandenen Gebühren bleiben in diesem Fall dem Anwalt erhalten (§ 15 Abs. 4 RVG). Mit der Abgabe ist das Bußgeldverfahren beendet. Die Vergütung wird insoweit gem. § 8 RVG fällig.
Hiernach entstehen dann die Gebühren nach Teil 4 VV gesondert.
Lediglich für die Grundgebühren ist in Anm. Abs. 2 zu Nr. 4100 VV angeordnet, dass die Grundgebühr des Bußgeldverfahrens (Nr. 5100 VV) auf die Grundgebühr des Strafverfahrens (Nr. 4100 VV) anzurechnen ist, wenn dem Strafverfahren dieselbe Tat zugrunde liegt.
Beispiel 1
Gegen den Mandanten war nach einem Verkehrsunfall ein Bußgeldverfahren eingeleitet worden (Bußgeldandrohung 50,00 EUR). Dieses Verfahren wurde dann wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung gem. § 41 Abs. 1 OWiG an die Staatsanwaltschaft zur weiteren Verfolgung als Strafsache abgegeben und von ihr auch übernommen.
Im Bußgeldverfahren ist neben der Grundgebühr nur die Verfahrensgebühr angefallen.
Im Strafverfahren entstehen Grund- und Verfahrensgebühr, wobei die Grundgebühr des Bußgeldverfahrens angerechnet wird.
I. Bußgeldverfahren
1. |
Grundgebühr, Nr. 5100 VV |
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85,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, Nr. 5103 VV |
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135,00 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
240,00 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
45,60 EUR |
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Gesamt |
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285,60 EUR |
II. Strafverfahren
1. |
Grundgebühr, Nr. 4100 VV |
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165,00 EUR |
2. |
gem. Anm. Abs. 2 zu Nr. 4100 VV anzurechnen |
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-85,00 EUR |
3. |
Verfahrensgebühr, Nr. 4104 VV |
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140,00 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
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Zwischensumme |
240,00 EUR |
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5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
45,60 EUR |
|
Gesamt |
|
285,60 EUR |
Wird das Strafverfahren später eingestellt oder erledigt es sich anderweitig i.S.d. Nr. 4141 VV, entsteht nur die zusätzliche Gebühr der Nr. 4141 VV, nicht auch die der Nr. 5115 VV.
Beispiel 2
Wie Beispiel 1; jedoch wird das Strafverfahren von der Staatsanwaltschaft später eingestellt.
Neben der Grund- und der Verfahrensgebühr entsteht jetzt im Strafverfahren noch eine zusätzliche Gebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 4141 VV.
I. Bußgeldverfahren
1. |
Grundgebühr, Nr. 5100 VV |
|
85,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, Nr. 5103 VV |
|
135,00 EUR |
3. |
Poste... |