Rz. 3
Die Gebühren nach Unterabschnitt 2 decken die gesamte Tätigkeit des Anwalts ab (ausgenommen Terminswahrnehmungen, VV 4102) – soweit sie nicht bereits durch die Grundgebühr abgegolten sind.
Rz. 4
Das vorbereitende Verfahren beginnt mit der Aufnahme der Ermittlungen wegen des Verdachts einer Straftat. Wird zunächst nur wegen des Verdachts einer Ordnungswidrigkeit ermittelt, so beginnt das vorbereitende Verfahren mit der Abgabe an die Staatsanwaltschaft (§ 41 OWiG).
Beispiel: Nach einem Verkehrsunfall ermittelt die Polizei wegen des Verdachts einer Ordnungswidrigkeit (Vorfahrtsverletzung). Anschließend stellt sich heraus, dass der Unfallgegner erheblich verletzt ist. Die Verwaltungsbehörde gibt daraufhin die Akte an die Staatsanwaltschaft ab, die nunmehr wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung ermittelt.
Bis zur Abgabe richtet sich die Vergütung des Anwalts nach VV 5100 ff. Mit der Abgabe an die Staatsanwaltschaft beginnt das vorbereitende Verfahren nach Unterabschnitt 2. Der Anwalt erhält jetzt im vorbereitenden Verfahren, also unter Anrechnung der Gebühr nach VV 5100 (Anm. zu VV 5100), die Grundgebühr nach VV 4100 und die Verfahrensgebühr nach VV 4104.
Ausgehend von der Mittelgebühr ist wie folgt abzurechnen:
I. Bußgeldverfahren
1. |
Grundgebühr, VV 5100 |
|
110,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, VV 5103 |
|
176,00 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
306,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
58,14 EUR |
Gesamt |
|
364,14 EUR |
II. Strafverfahren
1. |
Grundgebühr, VV 4100 |
|
220,00 EUR |
2. |
gem. Anm. Abs. 2 zu VV 4100 anzurechnen |
|
– 110,00 EUR |
3. |
Verfahrensgebühr, VV 4104 |
|
181,50 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
311,50 EUR |
|
5. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
59,19 EUR |
Gesamt |
|
370,69 EUR |
Rz. 5
Unerheblich ist, wer die Ermittlungen aufnimmt, also ob diese durch die Polizei aufgenommen werden oder durch die Staatsanwaltschaft. Entscheidend ist lediglich, dass Ermittlungen im Hinblick auf ein mögliches strafbares Verhalten eingeleitet werden.
Rz. 6
Steht bei Aufnahme der Ermittlungen durch die Polizei noch nicht fest, ob wegen einer Ordnungswidrigkeit oder einer Straftat ermittelt wird, so wird im Zweifel auch wegen des Verdachts einer Straftat ermittelt, so dass VV 4104 anzuwenden ist und nicht VV 5100 ff. Gleiches gilt, wenn sowohl wegen des Verdachts einer Ordnungswidrigkeit als auch wegen einer Straftat ermittelt wird. Da in diesem Fall die Staatsanwaltschaft für sämtliche Ermittlungen zuständig ist (§ 42 OWiG), richtet sich die Vergütung insgesamt nur nach VV 4100 ff. und nicht nach VV 5100 ff. Die Mehrtätigkeit des Verteidigers im Hinblick auf die zusätzliche Ordnungswidrigkeit kann ggf. nach § 14 Abs. 1 erhöhend zu berücksichtigen sein.
Rz. 7
Die Gebühr nach VV 4104 entsteht nicht, wenn der Verteidiger erst nach Erhebung der öffentlichen Klage bzw. nach Eingang des Antrags auf Durchführung des beschleunigten Verfahrens beauftragt worden ist. Die Verfahrensgebühr der VV 4104 kann aber nach einer Anklagerücknahme oder Rücknahme des Antrags auf Erlass des Strafbefehls entstehen. Nimmt die Staatsanwaltschaft ihre Anklage oder den Antrag auf Erlass des Strafbefehls zurück, so versetzt sie damit das Verfahren in den Stand des Ermittlungsverfahrens zurück, mit der Folge, dass der Rechtsanwalt, der vom Beschuldigten erst nach Anklageerhebung beauftragt worden ist, also im vorbereitenden Verfahren noch nicht mandatiert war, die Verfahrensgebühr VV 4104 verdient.
Rz. 8
Das vorbereitende Verfahren endet mit seiner Einstellung oder der Überleitung in das gerichtliche Verfahren. Aus welchem Grund das Ermittlungsverfahren eingestellt wird, ist unerheblich. Auch durch eine vorläufige Einstellung oder eine solche Einstellung, die eine Wiederaufnahme ermöglicht (§ 170 Abs. 2 StPO), ist die Angelegenheit zunächst beendet.
Werden die Ermittlungen allerdings bei einer nicht endgültigen Einstellung später wieder aufgenommen, so erhält der Anwalt keine neue Gebühr nach VV 4104. Seine Tätigkeit wird vielmehr durch die bereits entstandene Gebühr abgegolten (§ 15 Abs. 5 S. 1). Die Wiederaufnahme und die damit verbundene Tätigkeit kann lediglich im Rahmen des § 14 Abs. 1 Gebühren erhöhend berücksichtigt werden.
Beispiel: Das Ermittlungsverfahren gegen den Mandanten wegen des Verdachts einer fahrlässigen Körperverletzung wird unter Mitwirkung des Verteidigers mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Im Verlaufe des zivilrechtlichen Schadensersatzprozesses stellt sich dann doch ein erhebliches Verschulden des Mandanten heraus, so dass die Staatsanwaltschaft das Verfahren wieder aufnimmt und schließlich gegen Zahlung einer Geldbuße nach § 153a StPO einstellt.
Der Anwalt erhält insgesamt nur eine Gebühr nach VV 4104. Umfang und Dauer des Verfahrens mögen hier allerdings einen über der Mittelgebühr liegenden Betrag rechtfertigen. Zu rechnen wäre ausgehend von einem Aufschlag von 30 % wie folgt:
1. |
Grundgebühr, VV 4100 |
|
220,00 EUR |
2. |
Verfahr... |