ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1 AVB Rechtsschutzversicherung (hier ARB 2000 § 5 Abs. 3 Buchst. b

Leitsatz

  1. Im Berufungsurteil ist neben einer Bezugnahme nach § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO grundsätzlich die mindestens sinngemäße Wiedergabe der Berufungsanträge erforderlich (Bestätigung von BGHZ 154, 99). Sie ist ausnahmsweise entbehrlich, wenn sich dem Gesamtzusammenhang der Gründe das Begehren des Berufungsführers noch mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen lässt.
  2. Der Ausschlusstatbestand des § 5 Abs. 3 Buchst. b) ARB 2000 setzt voraus, dass der Versicherungsnehmer – ausdrücklich oder konkludent – Kostenzugeständnisse in der Weise gemacht hat, dass die Kostenlast zu seinem Nachteil von der angesichts der Obsiegensquote objektiv gebotenen Kostenverteilung abweicht. Das ist vom Versicherer darzulegen und zu beweisen.

BGH, Urt. v. 25.5.2011 – IV ZR 59/09

1 Sachverhalt

Der Kläger nimmt als Mitversicherter in der Rechtsschutzversicherung seiner Ehefrau die Beklagte als Schadenabwicklungsunternehmen des Versicherers auf Freistellung von Anwaltskosten in Anspruch. Dem Vertrag liegen Versicherungsbedingungen zugrunde, die zum Leistungsumfang eine mit § 5 ARB 94/2000 gleichlautende Klausel enthalten, die auszugsweise wie folgt lautet:

“§ 5 Leistungsumfang …

(3) Der Versicherer trägt nicht …

b) Kosten, die im Zusammenhang mit einer einverständlichen Erledigung entstanden sind, soweit sie nicht dem Verhältnis des vom Versicherungsnehmer angestrebten Ergebnisses zum erzielten Ergebnis entsprechen, es sei denn, dass eine hiervon abweichende Kostenverteilung gesetzlich vorgeschrieben ist; …”

Der Versicherer erteilte dem Kläger eine Deckungszusage für die außergerichtliche Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen aus einem Autokauf. Der Kläger, der die Rückabwicklung des Kaufs mit einem Preis von 15.830,00 EUR anstrebte, einigte sich schließlich mit dem Verkäufer darauf, dass dieser den verkauften Pkw gegen Anrechnung von 12.000,00 EUR zurücknimmt, wenn der Kläger stattdessen einen beliebigen Jahreswagen kauft. Eine ausdrückliche Kostenregelung wurde nicht getroffen. Die Anwälte des Klägers erstellten daraufhin eine Kostennote über 1.776,43 EUR. Der Versicherer zahlte hiervon unter Berufung auf § 5 Abs. 3 Buchst. b) ARB lediglich 429,90 EUR (= 24,2 % der Kosten), da der Kläger in Höhe von 75,8 % obsiegt habe (12.000,00 EUR/15.830,00 EUR).

Mit der Klage begehrt der Kläger Freistellung von den Kosten in Höhe des verbleibenden Differenzbetrages. Das AG hat der Klage stattgegeben; das LG hat sie abgewiesen.

Die hiergegen erhobene Revision hatte Erfolg.

2 Aus den Gründen

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass die Beklagte aufgrund der Risikobegrenzung in § 5 Abs. 3 Buchst. b) ARB nur verpflichtet sei, den Kläger von dem Teil der Rechtsverfolgungskosten freizustellen, der der Quote entspreche, mit der er bei der außergerichtlichen Einigung dem Verkäufer gegenüber unterlegen sei; diese Quote betrage – rechnerisch unstreitig – 24,2 %. Die Risikobegrenzung sei wirksam; die Klausel mache dem Versicherungsnehmer hinreichend deutlich, dass er im Falle einer einverständlichen Beilegung des Rechtsschutzfalles einer Belastung mit den bereits angefallenen Rechtsverfolgungskosten nur dann in vollem Umfang entgehe, wenn die Kosten im Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen zwischen ihm und dem Gegner aufgeteilt würden. Dass bei der Einigung zwischen dem Kläger und dem Verkäufer keine ausdrückliche Vereinbarung über die bereits angefallenen Kosten getroffen worden sei, stehe der Anwendung der Klausel nicht entgegen.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Der Senat ist an einer Sachentscheidung nicht bereits wegen Fehlens der nach § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO erforderlichen Mindestangaben im Berufungsurteil gehindert.

a) Zwar reicht nach dieser Bestimmung zur Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils aus. Diese kann sich jedoch nicht auf die erst in zweiter Instanz gestellten Berufungsanträge erstrecken, deren mindestens sinngemäße Wiedergabe deshalb erforderlich ist (BGH, Urt. v. 26.2.2003 – VIII ZR 262/02; BGHZ 154, 99, 101; Zöller/Heßler, ZPO 28. Aufl. § 540 Rn 8 m.w.Nachw.). Ohne diese Wiedergabe leidet das Berufungsurteil regelmäßig an einem von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmangel, der zur Aufhebung und Zurückverweisung führen muss (BGH a.a.O.).

b) Diese ist im vorliegenden Fall ausnahmsweise entbehrlich, obwohl eine auch nur sinngemäße Wiedergabe der Berufungsanträge in Abschnitt I der Gründe des Berufungsurteils fehlt. Jedoch lässt sich dem Einleitungssatz in Abschnitt II der Gründe noch mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, dass die Beklagte mit ihrer Berufung die Abänderung des angefochtenen Urteils (nicht Aufhebung, vgl. § 528 S. 2 ZPO) und Klageabweisung erstrebt hat.

2. Der Versicherer, der sich auf den Ausschlusstatbestand des § 5 Abs. 3 Buchst. b ARB 2000 beruft, hat die tatsächlichen Voraussetzungen für ein Eingreifen dieser Klausel darzulegen und gegebenenfalls zu bew...

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