RVG VV Nr. 4141
Leitsatz
- Die zusätzliche Verfahrensgebühr nach dem VV entsteht immer dann, wenn der Rechtsanwalt eine eingelegte Revision begründet hat. Die Rüge der Verletzung materiellen Rechts genügt als vollständige Revisionsbegründung.
- Bei einer Rücknahme der Revision ist nicht erforderlich, dass eine Hauptverhandlung im Revisionsverfahren durchgeführt worden wäre.
LG Braunschweig, Beschl. v. 8.6.2011 – 2 KLs 63/10
1 Sachverhalt
In der o.g. Strafsache wurde der Erinnerungsführer als Pflichtverteidiger beigeordnet. Er nahm sodann an der Hauptverhandlung der ersten Instanz vor dem LG teil. Gegen das Urteil des LG legte er noch vor Zustellung des schriftlichen Urteils Revision ein und rügte die Verletzung materiellen Rechts. Nachdem die Staatsanwaltschaft keine Revision eingelegt hatte, nahm der Verteidiger seine Revision ebenfalls zurück.
Der Erinnerungsführer beantragte für das Revisionsverfahren die Festsetzung einer Vergütung von 412,00 EUR aus Verfahrensgebühr (Nr. 4131 VV) und von 412,00 EUR aus Nr. 4141 VV zuzüglich Umsatzsteuer Nr. 7008 VV.
Der Erinnerungsführer wendet sich gegen die Nichtfestsetzung der Gebühr nach Nr. 4141 VV. Der Bezirksrevisor hat unter dem 6.6.2011 Stellung genommen und führt aus, dass wegen der Nichtansetzung einer Hauptverhandlung keine Gebühr nach Nr. 4141 VV entstanden sei.
2 Aus den Gründen
Der gegen die zuerst genannte Vergütungsfestsetzung eingelegte, als gem. § 56 Abs. 1 S. 1 RVG statthafte Erinnerung auszulegende Rechtsbehelf ist zulässig und begründet.
Die zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV ist entstanden. Der Erinnerungsführer hat die Revision zurückgenommen. Dem Vergütungsanspruch steht nicht entgegen, dass der Erinnerungsführer mitgeteilt hat, er würde erörtern, ob das eingelegte Rechtsmittel weiter durchgeführt oder zurückgenommen würde, sollte die Staatsanwaltschaft kein Rechtsmittel einlegen oder ein eingelegtes Rechtsmittel zurücknehmen.
Die Entscheidung des OLG Braunschweig v. 16.3.2006 – Ws 25/06 [= AGS 2006, 232] steht dem nicht entgegen, denn darin wird ausgeführt, dass für das Entstehen der Befriedungsgebühr der Nr. 4141 VV durch Revisionsrücknahme als Mindestvoraussetzung zu verlangen ist, dass wenigstens schon die theoretische Möglichkeit der Anberaumung eines Verhandlungstermins nach § 350 StPO besteht. Das ist der Fall, wenn die Revision fristgerecht begründet worden ist. Anderenfalls gelangen die Akten normalerweise gar nicht an das Revisionsgericht, sondern wird das Rechtsmittel bereits durch die Vorinstanz gem. § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen. Die genannte Entscheidung ist vorliegend nicht einschlägig. Der Erinnerungsführer hat die Revision vor Rücknahme begründet. Die Rüge der Verletzung materiellen Rechts genügt als vollständige Revisionsbegründung.
Soweit andere Gerichte wie das OLG Hamburg, das u.a. in seinem Beschluss v. 16.6.2008 – 2 Ws 82/08 ausführt: Nach Wortlaut und Sinn des Gesetzes, wonach entscheidend die Vermeidung der Hauptverhandlung ist, bedarf deshalb die Frage, ob die Hauptverhandlung durch die Zurücknahme der Revision entbehrlich geworden ist, einer gesonderten Prüfung. Die zusätzliche Gebühr kommt bei Rücknahme der Revision nur dann in Betracht, wenn das Revisionsverfahren so weit fortgeschritten war, dass beurteilt werden kann, ob eine Revisionshauptverhandlung durchgeführt worden wäre. Nur wenn diese Frage zu bejahen ist, kann durch Bewilligung der Gebühr dem gesetzgeberischen Ziel der Entlastung der Revisionsgerichte entsprochen werden. Nur bei dieser eine ohne die Rücknahme voraussichtlich entstandene anwaltliche Hauptverhandlungsgebühr voraussetzenden Gesetzesauslegung kann gleichzeitig auch dem weiteren gesetzgeberischen Ziel, dem Verteidiger eine Kompensation für den Verlust der Hauptverhandlungsgebühr zu verschaffen, entsprochen werden.
Dieses Ergebnis ist auch nicht unbillig, da die im Anschluss an die Einlegung der Revision vorzunehmende prüfende und beratende Tätigkeit des Rechtsanwalts durch die Verfahrensgebühr (Nm. 4130, 4131 VV) abgedeckt wird.
Die Beurteilung der Frage, ob eine Hauptverhandlung durchgeführt worden wäre, setzt dabei als Prüfungsgrundlage nicht nur voraus, dass die Revision begründet worden ist (so aber OLG Hamm StV 2007, 482, 483 [= AGS 2006, 600]; nur als Mindestvoraussetzung genannt von KG NStZ 2006, 239 f [= AGS 2005, 434]; OLG Braunschweig, Beschl. v. 16.3.2006 - Ws 25/06 [= AGS 2006, 232]; OLG Bamberg, Beschl. v. 22.3.2006 – 1 Ws 142/06; KG, Beschl. v. 4.3.2006 – 4 Ws 28/06; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.10.2007 – III – 2 Ws 228/07); diese Beurteilung wird vielmehr in der Regel erst unter Berücksichtigung der Stellungnahme der zuständigen Staatsanwaltschaft und erst dann möglich sein, wenn das Revisionsverfahren bei dem Revisionsgericht anhängig geworden ist (KG, Beschl. v. 4.5.2006 – 4 Ws 57/06; OLG Saarbrücken JurBüro 2007, 28 f.; OLG Thüringen, Beschl. v. 30.11.2006 – 1 Ws 254/06; OLG Brandenburg NStZ-RR 2007, 288; [= AGS 2007, 403]; ebenso OLG Zweibrücken, Beschl. v. 17.5.2005 - 1 Ws 164/05 [= AGS 2006, 74]; OLG Hamm, Beschl. v. ...