RVG VV Nr. 7000
Leitsatz
- Ein Rechtsanwalt, der seinen Mandanten berät, um die Reaktion in einem Strafverfahren zu besprechen, benötigt dazu Ablichtungen aus der Ermittlungsakte. Deshalb besteht auch in Beratungshilfesachen Anspruch auf Erstattung der von dem Rechtsanwalt gefertigten Fotokopien aus der Staatskasse.
- Es ist auch grundsätzlich notwendig, den gesamten Inhalt der Strafakte zu kopieren.
AG Riesa, Beschl. v. 27.6.2012 – 002 UR II 008851/10
1 Sachverhalt
Das AG hatte der Rechtsuchenden einen Berechtigungsschein für die Beratung anlässlich eines Strafverfahrens wegen des Vorwurfes einer fahrlässigen Körperverletzung erteilt. Die Antragstellerin hat daraufhin den Erinnerungsführer mit der Beratung beauftragt. Nach durchgeführter Beratung beantragte der Erinnerungsführer die Festsetzung seiner Vergütung, darunter auch einer Dokumentenpauschale für 88 Kopien i.H.v. 30,70 EUR. Das AG setzte die Kopiekosten ab. Begründet wurde dies damit, dass die Beratungshilfe in Strafsachen auf Beratung beschränkt sei, § 2 Abs. 2 S. 2 BerHG. Da Verteidigung oder Vertretung über Beratungshilfe nicht abgedeckt seien, könne das Kopieren von 88 Seiten nicht nachvollzogen werden. Es hätte durchaus genügt, nach Durchsicht der Akte wesentliche Punkte zu notieren und daraufhin der Rechtsuchenden einen Rat hinsichtlich ihrer Verteidigung zu geben.
Dagegen legte der Erinnerungsführer Erinnerung ein. Darin machte er geltend, dass zur ordnungsgemäßen Beratung des Rechtsuchenden die Ablichtung des Inhaltes der Akten notwendig gewesen sei. Es könne von dem Rechtsanwalt insbesondere nicht verlangt werden, sich in die versandte Akte einzuarbeiten und anschließend ein Gesprächstermin bei vorliegender Akte mit den Rechtsuchenden zu vereinbaren, um ansonsten notwendige Kopierkosten zu vermeiden. Damit würde das Gericht die Terminsplanung des Rechtsanwalts bestimmen. Zudem müsste der Rechtsanwalt sodann bei einer späteren Nachfrage die Akte erneut anfordern. Ein weiteres Argument ergebe sich daraus, dass der Rechtsanwalt eine Handakte gemäß § 50 BRAO anzulegen habe, die ein geordnetes Bild über die von ihm entfaltete Tätigkeit geben müsse.
Die Erinnerung hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen
Der Anspruch auf Festsetzung der Kopierkosten erfolgt aus Nr. 7000 VV. Gem. Nr. 7000 Nr. l Buchst. a) VV sind Kosten für Ablichtungen aus Behörden- und Gerichtsakten zu ersetzen, soweit deren Herstellung zur sachgerechten Bearbeitung der Rechtssache geboten war. Dass unter dem Gesichtspunkt der Rechtswahrnehmungsgleichheit von Bemittelten und Unbemittelten auch bei der Beratungshilfe grundsätzlich Kopierkosten zu ersetzen sind, ergibt sich daraus, dass Bemittelte und Unbemittelte auch bei der Beratungshilfe grundsätzlich gleich zu behandeln sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.10.2008 – 1 BvR 2310/06; BVerfG, Beschl. v. 11.5.2009 – 1 BvR 1517/09). Ein Rechtsanwalt, der seinen Mandanten berät, um die Reaktion in einem Strafverfahren zu besprechen, benötigt dazu Ablichtungen aus der Ermittlungsakte. Zwar bestünde auch die Möglichkeit, dass der Rechtsanwalt seinen Mandanten zu dem Zeitpunkt in sein Büro bestellt, zu dem die Akte sich bei ihm befindet. Dies würde jedoch dazu führen, dass die aktenführende Stelle durch die Setzung der Akteneinsichtsfrist über die Möglichkeit einer sachgerechten Beratung entscheiden würde. Dass daraus eine Schlechterstellung des unbemittelten Rechtsuchenden entsteht, ergibt sich daraus, dass der Rechtsanwalt gegenüber dem Mandanten Ladungen nicht zwangsweise durchsetzen kann und die aktenführende Stelle in der Regel keine Kenntnis von den terminlichen Verpflichtungen des Mandanten hat und auf die Kenntnis dieser in diesem Verfahrensabschnitt auch kein Anspruch besteht. Verdeutlicht wird dieses Dilemma an folgendem Beispiel: Würde die aktenführende Stelle dem Rechtsanwalt Akteneinsicht von drei Tagen gewähren, befände sich der Mandant jedoch im Urlaub, im Krankenhaus oder wäre er aus anderen Gründen nicht erreichbar, wäre eine spätere Beratung nur noch aufgrund von Notizen möglich (vgl. AG Halle, Beschl. v. 8.2.2010 – 103 II 3103/09).
Weiterhin ist nicht auszuschließen, dass aufgrund der Mandantenbesprechung der Akteninhalt noch einmal unter einem erneuten Blickwinkel betrachtet werden muss. Auch daraus ergibt sich die Notwendigkeit, dass dem Rechtsanwalt Kopien der Akte zur Verfügung stehen müssen (vgl. AG Kassel, Beschl. v. 11.11.1987 – 3 AR 138/87).
Ein weiterer Grund für das Erfordernis der Aktenkopie ist, dass der Rechtsanwalt gem. § 50 Abs. 1 BRAO durch Handakten ein geordnetes Bild über die von ihm entfaltete Tätigkeit geben können muss.
Letztlich darf auch nicht verkannt werden, dass der Rechtsanwalt gem. § 1 BRAO ein unabhängiges Organ der Rechtspflege ist und es aus diesem Grund nicht Sache der aktenführenden Stelle sein darf, dem Rechtsanwalt durch Bemessung der Akteneinsichtsfrist die Terminierung der rechtsanwaltlichen Geschäfte zu determinieren (vgl. AG Halle, Beschl. v. 8.2.2010 – 103 II 3103/09).
In der Beratung in einem Strafverfahren ist es auch grundsätzlich erford...