Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der beigeordneten Rechtsanwältin stehen die beantragten drei Zusatzgebühren nach Nr. 4116 VV (Teilnahme an der Hauptverhandlung für mehr als fünf und bis zu acht Stunden) sowie die beantragte Zusatzgebühr nach Nr. 4117 VV (Teilnahme an der Hauptverhandlung für mehr als acht Stunden) nicht zu.

Es geht vorliegend ausschließlich um die Frage, ob bei der Berechnung der Länge einer Hauptverhandlung die im Protokoll vermerkten Unterbrechungen für die Bestimmung der vergütungspflichtigen Gesamtdauer abgezogen werden müssen.

Ausgangspunkt der Honorierung durch die strafrechtliche Terminsgebühr ist, wie der Senat in der Besetzung mit drei Richtern in seinem Beschl. v. 13.3.2012 (2 Ws 18/12) ausgeführt hat, alleine die Zurverfügungstellung der persönlichen Anwesenheit des Pflichtverteidigers bzw. des beigeordneten Rechtsanwalts zur Durchführung einer strafrechtlichen Hauptverhandlung auf Ladung des Gerichtes. Damit ist vom Grundsatz her die Terminsgebühr an der im Protokoll vermerkten "Nettoanwesenheit" in der Hauptverhandlung zu bemessen. Pausen und Unterbrechungen sind keine Hauptverhandlung (vgl. den Senatsbeschluss a.a.O. mit weiteren Nachweisen). Es spielt für die Frage der Vergütung dabei auch keine Rolle, ob diese Unterbrechungen inhaltlich der Hauptverhandlung dienen. Auch andere Handlungen des Pflichtverteidigers bzw. des beigeordneten Rechtsanwalts (z.B. Beratung mit dem Mandanten, Vorbereitung der Hauptverhandlung oder des Plädoyers, Niederlegung von Beweisanträgen etc.) dienen letztlich der Hauptverhandlung und werden, soweit vom Gesetzgeber als honorabel anerkannt, über andere Gebührentatbestände abgegolten (vgl. Nrn. 4100 ff. VV). Ansonsten hätte es der Pflichtverteidiger bzw. der beigeordnete Rechtsanwalt in der Hand, seine bereits vergüteten Tätigkeiten (z.B. die Vorbereitung der Hauptverhandlung, die Beratung mit dem Mandanten) über Verhandlungspausen in die Hauptverhandlung zu verlagern, um so künstlich Zuschläge zu generieren und damit eine teilweise Doppelvergütung zu erreichen. Die Einwände, dass der Pflichtverteidiger bzw. der beigeordnete Rechtsanwalt keinen Einfluss auf die Verhandlungsunterbrechungen durch das Gericht hat, diese "nicht vorhersehen" und die dadurch entstandene Zeit nicht "sinnvoll" nutzen könne, sind Relikte aus der BRAGO und findet in der pauschalisierten Konzeption des RVG keine Stütze. Gerade vor dem Hintergrund, dass der Rechtsanwalt nach Vorbem. 4 Abs. 3 S. 2 VV die Terminsgebühr auch erhält, wenn er zu einem anberaumten Termin erscheint, dieser aber aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, nicht stattfindet, macht deutlich, dass er sie ohne diese Sonderregelung gerade nicht bekommen hätte, weil keine Hauptverhandlung stattgefunden hat. Wartezeiten und Vorhaltezeiten wie sie durch Pausen und Unterbrechungen während der Hauptverhandlung entstehen, sind typische Begleiterscheinungen des Berufsbildes des Rechtsanwaltes und insbesondere des Strafverteidigers und weder eigenständig vergütungspflichtig noch stellen sie Besonderheiten da, die durch Ausweitung bestehender Vergütungstatbestände aufgefangen werden müssen. Der Gesetzgeber wollte mit dem RVG gerade die intransparente Kasuistik zu Sondervergütungen für Rechtsanwälte beenden und durch transparente Vergütungstatbestände pauschalisieren. Dem RVG liegt die Konzeption einer Mischkalkulation zu Grunde. Die Bewertung, ob der Pflichtverteidiger die der Tätigkeit des Strafverteidigers immanenten Warte- und Vorhaltezeiten "sinnvoll" nutzen kann, steht weder dem Rechtspfleger noch dem Gericht zu. Es obliegt dem Strafverteidiger seine Tätigkeit so zu organisieren, wie er es für "sinnvoll" erachtet. Ob er die Zeit für Gespräche auf dem Gerichtsflur nutzt, Mittagessen geht, mit seinem Büro telefoniert oder sich anderweitig beschäftigt, ist alleine seine Entscheidung. Wie lange eine Unterbrechung dauert, kann, soweit sie nicht durch das Gericht ohnehin mitgeteilt wird, erfragt werden.

Der so vom RVG vorgegebene "Nettogrundsatz" wird durch das Kriterium, dass Wartezeiten dann relevant werden können, wenn sich der Pflichtverteidiger bzw. der beigeordnete Rechtsanwalt "zur Durchführung einer strafrechtlichen Hauptverhandlung" sozusagen "in Bereitschaft" halten muss, durchbrochen. Dabei geht es alleine um die personale Anwesenheit des Pflichtverteidigers bzw. des beigeordneten Rechtsanwalts.

Dabei wird, um den Pauschalisierungsgedanken des Gesetzgebers Rechnung zu tragen, bei kürzeren Verhandlungspausen vom Grundsatz davon auszugehen sein, dass der Pflichtverteidiger bei diesen Unterbrechungen und Wartezeiten dem Gericht nach wie vor zur Verfügung steht. Das ist auch die Begründung für die Berücksichtigung der angeordneten Terminsstunde als gebührentechnischer Beginn der Hauptverhandlung und nicht der im Protokoll vermerkte tatsächliche Hauptverhandlungsbeginn.

Von diesem Prinzip ausgehend, verliert diese Indizwirkung ihre Anscheinsfunktion jedoch dann, wenn die Unterbrechungen länger andauern,...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?