ZPO §§ 91, 100, 104, 106
Leitsatz
- Der obsiegende Streitgenosse kann die gesamten von ihm geschuldeten Gebühren des gemeinsamen Prozessbevollmächtigten vom Prozessgegner erstattet verlangen, wenn der Anwalt wegen der Zahlungsunfähigkeit des unterlegenen anderen Streitgenossen von diesem keine Vergütung erhält.
- Die Behauptung, der gemeinsame Anwalt habe von dem nunmehr zahlungsunfähigen Streitgenossen einen anzurechnenden Vorschuss erhalten, muss vom Kostenerstattungspflichtigen glaubhaft gemacht werden.
OLG Koblenz, Beschl. v. 31.10.2011 – 14 W 608/11
1 Sachverhalt
Die Klägerin begehrte von den Beklagten als Gesamtschuldnern eine Maklerprovision von 114.950,00 EUR nebst Zinsen. Beide Beklagten wurden im Hauptsacheverfahren von demselben Bevollmächtigten vertreten. Das LG hat die Beklagte zu 1) antragsgemäß verurteilt, die Klage gegen den Beklagten zu 2) abgewiesen. Die Kostenentscheidung lautet:
"Die Gerichtskosten tragen die Klägerin und die Beklagte zu 1) zur Hälfte. Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2), die Beklagte zu 1) die der Klägerin zur Hälfte. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst."
Daraufhin hat der Beklagte zu 2) die Festsetzung der außergerichtlichen Kosten in Höhe der 1,3-Verfahrensgebühr, der 1,2-Terminsgebühr und der weiteren Auslagen gegen die Klägerin beantragt. Dem ist die Klägerin unter Hinweis auf die Anwendung des Kopfteilprinzips nach § 100 ZPO entgegengetreten. Der Beklagte zu 2) hat dem widersprochen, weil die Beklagte zu 1) zahlungsunfähig und das Insolvenzverfahren eingeleitet sei.
Mit dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss hat die Rechtspflegerin beim LG die Kosten in beantragter Höhe festgesetzt. Da die Beklagte zu 1) zahlungsunfähig sei, dürfe der Beklagte zu 2) die ihm entstandenen Kosten in voller Höhe und nicht nur den auf die Kopfteile entfallenden Anteil festsetzen lassen.
Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin. Es sei nicht dargetan, dass die Beklagte zu 1) keinen Vorschuss gezahlt habe und der Beklagte zu 2) einen "entsprechenden Zufluss hat". Der Beklagte zu 2) sei Gesellschafter der Beklagten zu 1) und deren langjähriger Geschäftsführer gewesen. Nur aus Gründen der Stellung eines Zeugen sei er aus der Organstellung herausgelöst worden.
Der Beklagte zu 2) ist dem entgegengetreten und hat ausgeführt, dass kein Vorschuss gezahlt worden sei. Im Übrigen seien die Einwände unerheblich.
Die Beschwerde, der das LG nicht abgeholfen hat, hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
Nach der ganz überwiegenden Auffassung in Rspr. und Lit. steht dem obsiegenden Streitgenossen grundsätzlich nur ein Anspruch auf Erstattung eines seiner wertmäßigen Beteiligung entsprechenden Bruchteils an den Kosten des gemeinsamen Rechtsanwaltes der Streitgenossen zu (OLG Stuttgart JurBüro 1990, 625; OLG Karlsruhe JurBüro 1992, 546; OLG Düsseldorf JurBüro 1993, 355 mit zust. Anm. Mümmler; OLG München MDR 1993, 804 und 1994, 215; OLG Oldenburg MDR 1994, 416; OLG Karlsruhe, ZS Freiburg, Rpfleger 1994, 316; OLG Dresden NJW-RR 1999, 293; MünchKomm-ZPO/Belz, 3. Aufl., § 91 Rn 90; Zöller/Herget, ZPO, 28. Aufl., § 91 Rn 13, Stichwort "Streitgenossen" unter 3). Dem hat sich der BGH in der von dem Beklagten zu 2) zitierten Entscheidung v. 30.4.2003 (VIII ZB 100/02, NJW-RR 2003, 1217 = JurBüro 2004, 197 = Rpfleger 2003, 537) angeschlossen. Auch der Senat folgt diesen Grundsätzen (Beschl. v. 13.2.2007 – 14 W 91/07, AGS 2007, 544).
Eine Ausnahme wird aber dann gemacht, wenn ein Ausgleichsanspruch zwischen den Streitgenossen im Innenverhältnis an der Zahlungsunfähigkeit des ausgleichspflichtigen Streitgenossen scheitert. Der obsiegende Streitgenosse hat dann einen Erstattungsanspruch nicht nur in anteiliger, sondern in voller Höhe gegen den Prozessgegner (vgl. BGH a.a.O.; Senat v. 13.7.2007 – 14 W 91/07, AGS 2007, 544 = JurBüro 2007, 370 = OLGR 2007, 563; Senat v. 16.8.1999 – 14 W 528/99 JurBüro 2000, 145 u. v. 22.5.1991 – 14 W 264/91, JurBüro 1991, 1542).
So liegt der Fall hier. Der Beklagte zu 2) hat unwidersprochen vorgetragen, dass die Beklagte zu 1) Insolvenzantrag gestellt hat. Dies hat er durch Vorlage des Beschlusses des AG glaubhaft gemacht. Über die amtliche Auskunftsstelle www.i...de ist inzwischen gerichtsbekannt, dass der Insolvenzantrag mangels Masse abgewiesen wurde. Der Beklagte zu 2) wird deshalb im Innenverhältnis für die Vergütungsansprüche des gemeinsamen Bevollmächtigten alleine aufkommen müssen.
Ob sich der Sachverhalt anders darstellt, wenn der zahlungsunfähige Streitgenosse zuvor noch einen Vorschuss geleistet hat, kann offen bleiben. Der Bevollmächtigte der Beklagten hat hierzu nämlich erklärt, dass ein solcher Vorschuss nicht gezahlt worden sei.
Der Senat kann die Entscheidungserheblichkeit des Hinweises der Klägerin auf die Gesellschafterstellung des Beklagten zu 2) bei der Beklagten zu 1) und die langjährige Geschäftsführerstellung nicht erkennen.