Leitsatz
- Werden Gerichtsgebühren für ein Verfahren nicht erhoben, kommt eine Streitwertfestsetzung nicht in Betracht. Fehlt es an einem solchen Wert, setzt das Gericht den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf Antrag durch Beschluss selbstständig fest.
- Durch die Entscheidung über den Gegenstandswert wird der Beklagte (hier: Familienkasse) nicht in seinen Rechten beschränkt, weil die Festsetzung des Gegenstandswerts ebenso wie die Festsetzung des Streitwerts nicht in materielle Rechtskraft erwächst, so dass eine Gegenvorstellung statthaft ist.
Sächsisches FG, Beschl. v. 9.1.2015 – 8 K 1846/13 (Kg)
1 Aus den Gründen
Eine gerichtliche Streitwertfestsetzung erfolgt nach § 63 Abs. 2 GKG "für die zu erhebenden Gebühren". Hierbei hebt das GKG allein auf die Gerichtsgebühren ab. Werden Gerichtsgebühren – wie im Streitfall – nicht erhoben (§ 2 Abs. 1 GKG), kommt eine Streitwertfestsetzung nicht in Betracht. Fehlt es an einem solchen Wert, setzt das Gericht den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf Antrag durch Beschluss selbstständig fest (§ 33 Abs. 1 RVG). Das ist durch Beschl. v. 11.8.2014 erfolgt. Der Beklagte wird dadurch entgegen seiner Rechtsauffassung in seinen Rechten nicht beschränkt, weil die Festsetzung des Gegenstandswertes ebenso wie die Festsetzung des Streitwertes nicht in materielle Rechtskraft erwächst, so dass eine Gegenvorstellung statthaft ist (so auch Bayerischer VGH, Beschl. v. 11.10.2006 – 9 ZB 05.3289). Ob dafür die Frist des § 63 Abs. 3 S. 2 GKG entsprechend gilt, bedarf an dieser Stelle keiner Entscheidung.
2 Anmerkung
Das FG hat zutreffend erkannt, was vielen Gerichten verborgen bleibt, dass eine Streitwertfestsetzung nur dann zulässig ist, wenn tatsächlich auch Gerichtsgebühren anfallen und diese sich nach dem Wert berechnen.
Sofern keine wertabhängigen Gerichtsgebühren anfallen, kommt nur eine Festsetzung des Gegenstandswerts für die anwaltlichen Gebühren in Betracht (§ 33 RVG). Eine solche Festsetzung darf aber nur auf Antrag erfolgen und entfaltet Bindungswirkung auch nur im Verhältnis zwischen dem jeweiligen Anwalt und seinem Mandanten bzw. einer erstattungspflichtigen Partei.
Daher konnte hier durchaus die Familienkasse durch die Wertfestsetzung beschwert sein, wenn sie geltend macht, aufgrund einer fehlerhaften Wertfestsetzung zu hohe Gebühren erstatten zu müssen.
Entgegen der Auffassung des FG erwächst die Festsetzung sowohl des Gegenstandswerts als auch des Streitwerts in Rechtskraft. Im Falle einer Streitwertfestsetzung tritt die Rechtskraft nach Ablauf von sechs Monaten seit Beendigung des Verfahrens ein, sofern nicht Beschwerde eingelegt wird; im Falle einer Wertfestsetzung nach § 33 RVG, sofern nicht innerhalb von zwei Wochen ein Beschwerde eingelegt wird.
Das FG verkennt darüber hinaus, dass im Verfahren die Festsetzung des Gegenstandswerts betreffend eine Gegenvorstellung unzulässig ist, da es sich um ein Antragsverfahren handelt. Die Gegenvorstellung ist nur zulässig im Verfahren der Streitwertfestsetzung, weil hier das Gericht auch von Amts wegen innerhalb der Sechs-Monats-Frist eine Streitwertfestsetzung abändern kann (§ 63 Abs. 3 S. 2 GKG).
Norbert Schneider
AGS 10/2015, S. 459 - 460