Leitsatz
Die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung eines Anwalts für den Mehrwert eines Vergleichs erstreckt sich auch auf die Verfahrensdifferenzgebühr sowie die sich aus dem Mehrwert berechnende Terminsgebühr.
OLG Koblenz, Beschl. v. 10.12.2015 – 9 WF 931/15
1 Sachverhalt
Zwischen den beteiligten Eheleuten war vor dem AG – FamG – ein Gesamtschuldnerausgleichsverfahren anhängig. Dieses wurde im Termin durch gerichtlichen Vergleich zum Abschluss gebracht. Zusätzlich beinhaltet der Vergleich eine Regelung zu der Auseinandersetzung gemeinsamer Verbindlichkeiten bei der …[A]bank. Der Verfahrenswert wurde vom FamG mit 6.248,00 EUR für das Verfahren und 16.648,00 EUR für den Vergleich, unter Berücksichtigung eines Mehrvergleichs von 10.000,00 EUR, festgesetzt. Darüber hinaus beschloss das FamG, dass die den Beteiligten für das Verfahren gewährte Verfahrenskostenhilfe auch "auf den geschlossenen Mehrvergleich erstreckt wird". Hierauf hat der der Antragsgegnerin beigeordnete Verfahrensbevollmächtigte beantragt, ihm aus der Staatskasse zu erstattende Kosten in Höhe von 1.685,04 EUR festzusetzen. Darin enthalten waren u.a. eine Differenzverfahrensgebühr aus einem Gegenstandswert von 10.000,00 EUR und eine Terminsgebühr aus einem Gegenstandswert von 16.648,00 EUR. Die Rechtspflegerin setzte die Vergütung auf insgesamt 1.470,84 EUR fest, wobei sie die beantragte Differenzverfahrensgebühr nicht und eine Terminsgebühr nur hinsichtlich eines Gegenstandswertes von 6.248,00 EUR ansetzte. Die hiergegen erhobene Erinnerung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin wurde vom AG mit Beschl. v. 17.8.2015 zurückgewiesen, wogegen dieser Beschwerde eingelegt hat.
2 Aus den Gründen
Die gem. §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 RVG zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Gem. §§ 45 ff. RVG sind die aus der Staatskasse zu erstattenden Kosten antragsgemäß auf 1.685,04 EUR festzusetzen, weil die Verfahrenskostenhilfebewilligung auch die Erstattung einer Verfahrensgebühr und einer Terminsgebühr betreffend den Mehrvergleich umfasst.
Die Mitwirkung eines Rechtsanwalts am Vergleichsabschluss in einem Gerichtstermin löst neben der Einigungsgebühr hinsichtlich des Mehrwerts des Vergleichs auch eine Verfahrensgebühr gem. Nr. 3101 VV und eine Terminsgebühr gem. Nr. 3104 VV aus.
Die Frage nach der Erstattungsfähigkeit dieser Verfahrensdifferenzgebühr und der erhöhten Terminsgebühr aus der Staatskasse ist umstritten.
Nach einer Ansicht ist die Erstattung einer Verfahrensdifferenzgebühr und Terminsgebühr nicht möglich, soweit dies nicht ausdrücklich vom FamG im Verfahrenskostenhilfebeschluss betreffend den Mehrvergleich bestimmt wurde (vgl. u.a. OLG Koblenz – 13 WF 369/14 [= AGS 2014, 348]; OLG Bamberg FamRZ 2011, 1605; OLG Dresden FamRZ 2014, 1879 [= AGS 2014, 347]; OLG Celle FamRZ 2011, 835 [= AGS 2011, 551]).
Die Argumente dieser Ansicht können nicht überzeugen.
Die von den Vertretern dieser Meinung herangezogene Entscheidung des BGH v. 8.6.2004 (FamRZ 2004,1708), wonach bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Abschluss eines Vergleichs im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren weder eine Verfahrensgebühr noch Terminsgebühr zu erstatten sei, ist auf die vorliegende Fallkonstellation nicht übertragbar. Diese Entscheidung beruhte auf der Besonderheit, dass eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren nicht möglich ist. Vorliegend geht es jedoch darum, dass in einem bereits rechtshängigen Verfahren von diesem nicht umfasste Gegenstände mitverglichen werden, für die kein Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren anhängig ist.
Auch aus der Neufassung von § 48 Abs. 3 RVG kann nicht hergeleitet werden, dass bei einem Mehrvergleich grundsätzlich keine Verfahrensdifferenzgebühr und Terminsgebühr zu erstatten sind. Nach § 48 Abs. 3 RVG erstreckt die Beiordnung in einer Ehesache sich im Fall des Abschlusses eines Vertrages i.S.d. Nr. 1000 VV auf alle mit der Herbeiführung der Einigung erforderlichen Tätigkeiten, soweit der Vertrag Folgesachen betrifft. Daraus den Umkehrschluss zu ziehen, dass der Gesetzgeber damit für alle anderen Verfahren zum Ausdruck habe bringen wollen, eine Erstreckung der Verfahrenskostenhilfe auf Verfahrensdifferenzgebühr und Terminsgebühr habe nicht zu erfolgen, ist nicht zwingend und lässt sich auch nicht mittels Gesetzesmaterialien begründen.
Der Senat folgt der Auffassung, wonach bei Abschluss eines Mehrvergleichs im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe neben der Einigungsgebühr auch die Verfahrensdifferenzgebühr und die Terminsgebühr zu ersetzen ist (vgl. u.a. OLG Koblenz – 14 W 328/06 [= AGS 2006, 349]; OLG Koblenz – 7 WF 803/08 [= AGS 2009, 119]; OLG Köln FamRZ 2014, 1875; OLG Schleswig FamRZ 2012, 1416 [= AGS 2012, 404]; OLG Nürnberg MDR 2011, 325 [= AGS 2011, 185]).
Ausgangspunkt für die Frage des Umfangs der Kostenerstattung aus der Staatskasse ist die Vorschrift des § 48 Abs. 1 RVG. Danach ergibt sich der Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Staatskasse nach den Beschlüssen, durch die die Proze...